Die Großstädte in Ghana sind laut, dreckig und völlig überfüllt – dennoch wunderschön! Wer mein Vaterland oder ähnliche Länder in Afrika noch nicht erlebt hat, wird wohl kaum
die besondere Schönheit dieses Landes nachvollziehen können. Denn in Ghana ist alles anders: Die Menschen (die sehr warmherzig und selbstbewusst sind), die Stimmung (die sehr spirituell ist), das Essen (das sehr kohlenhydratreich und scharf gewürzt ist), die Temperaturen (die quasi nie unter 26 Grad fallen), die Struktur (die es nicht gibt) und der Straßenverkehr (in dem jeder einfach macht, was er will). 3,5 Monate habe ich mich größtenteils zu Fuß oder in überfüllten Minibussen auf den Weg begeben mein Vaterland zu bereisen. Ich habe ausführlich die ghanaische Küche kennengelernt und kann heute mit Gewissheit sagen, dass Schweine- bzw. Rinderfüße definitiv nicht zu meinen Lieblingsspeisen gehören.
er Besuch unserer Patenkinder im World Vision Projekt Krachi East, in einem der ärmsten Gebiete Ghanas, gehörte mit zu den Highlights meiner Reise. Zu erleben wie Menschen, die selbst fast nichts haben, das was sie haben wie selbstverständlich mit Fremden teilen, ist zu tiefst berührend und inspirierend. Das unfassbare Strahlen der Kinder, die winkend den Bussen hinterherrennen, in denen „Weisse“ durch ihr Dorf fahren, lässt einen daran erinnern, dass wir alle Fremde und doch Freunde miteinander sind.
In einem Land wie Ghana werden soziale Unterschiede so deutlich, dass sie womöglich viele zunächst einmal verschrecken. So kauft man in Ghana ein: In offenen Ständen am Straßenrand lässt sich so ziemlich alles besorgen, was man braucht. Das Stadtbild ist geprägt von amerikanischen allradbetriebenen, übergroßen Geländewagen, die neben heruntergekommenen Taxen herfahren, die selten noch intakte Windschutzscheiben vorweisen.
Oder auch vom gutsituierten Geschäftsmann, der ganz nach europäischem Vorbild mit Anzug, Krawatte und Lederschuhen gekleidet, sein Wasser bei einem einfachen Straßenverkäufer kauft, der monatlich nicht mehr als 80 $ verdient und davon noch Frau und Kinder mitversorgt. Spätestens nach solchen Erfahrungen kann man nicht anders, als täglich dankbar dafür zu sein, was wir in Deutschland haben und in welchem Luxus wir leben dürfen.
Diesem Luxus müssen wir jedoch auch ganz offensichtlich Tribut zollen. Viel Arbeit, wenig Freizeit und zunehmende Vereinsamung der Menschen sind Dinge, die wir in der deutschen Gesellschaft feststellen müssen. Dahingehend lebt der Ghanaer deutlich entspannter. Die Menschen arbeiten zwar ebenfalls hart und fleißig, genehmigen sich allerdings zwischendurch auch gerne mal inmitten des Marktgetümmels ein Nickerchen.
Und so kann es passieren, dass wenn man als Kunde ein paar Waren kaufen möchte, erst einmal die Verkäuferin wecken muss.
Ein weiteres typisches Merkmal der ghanaischen Gesellschaft ist die Tatsache, dass man im Prinzip dort nie alleine ist. Denn noch leben die Menschen in vorwiegend aus Familienmitgliedern bestehenden großen Gemeinschaften. Somit ist immer irgendjemand da, mit dem man sich austauschen, lachen oder Sorgen teilen kann. Das führt sogar soweit, dass sich manche wünschen mal alleine zu sein, ohne einen Cousin, Schwester, Onkel, Vetter dritten Grades o.ä.
Mit Verwunderung musste ich in etlichen Gesprächen feststellen, dass viele Afrikaner noch immer ein genauso unvollständiges Bild von Europa haben, wie die Europäer von Afrika. Wohingegen in deutschen Medien meistens von Kriegen, Epidemien und Kindern mit aufgeblähten Bäuchen und Fliegen an den Augen berichtet wird, existiert in Ghana vorwiegend das Bild eines paradiesischen Europas, in welchem das Geld sprichwörtlich auf der Straße liegt.
Ich denke in beiden Richtungen ist es wünschenswert, die Realität zukünftig vollständiger darzustellen. Ein weiteres Highlight meiner Reise war in jedem Fall die Besichtigung einer der Kolonialburgen an der Küste von Cape Coast. In diesem Landabschnitt soll es im 15. Jahrhundert zum ersten Kontakt zwischen Europäern (damals den Portugiesen) und Westafrikanern gekommen sein. Da das Gebiet des heutigen Ghana´s Unmengen wertvoller Güte
r bereit hält wurde daraufhin ein reger Handel mit Gold, Pfeffer und Elfenbein betrieben.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts kam der Handel mit Menschen hinzu. In den darauffolgenden knapp 300 Jahren lang fielen vermutlich insgesamt 12 Millionen Westafrikaner dem Sklavenhandel zum Opfer. Zur Verteidigung der Handelsstützpunkte bauten sowohl die Portugiesen, sowie etliche andere europäische Großmächte (auch Deutschland) mächtige Burgen entlang des Golfs von Guinea. In Ghana stehen mehrere sehr gut erhaltene Burgen, die heute zum UNESCO Weltkulturerbe gehören.
In einem der Sklavenkerker mit minimalem Tageslicht und unzureichender Frischluftzufuhr zu stehen und sich vorzustellen, dass in diesen engen Räumen Menschen in Ketten gelegt und wie Vieh zusammengepfercht wurden, um zum Teil Monate darauf zu warten auf einem der Sklavenschiffe die strapaziöse Reise u.a. in die USA anzutreten, um dort als Eigentum von Bauern auf Baumwollplantagen zu arbeiten, war für mich einer der bewegendsten und bedrückendsten Momente meines Lebens. Heute stellen die Burgen stumme Zeitzeugen der damaligen Kolonialzeit dar und erinnern u.a. durch Gedenktafeln an diese schier unfassbaren Ereignisse.
“Of the anguish of our ancestors may those who died rest in peace. May those who return find their roots. May humanity never again perpetrate such injustice against humanity. We the living vow to uphold this.” Doch neben dieser traurigen Geschichte zeichnet sich die Region rund um Cape Coast auch durch bezaubernde Strände aus, die zwar bislang wenig touristisch erschlossen wurden, dadurch allerdings jede Menge Ruhe und Entspannung versprechen.
Palmengesäumter Strand in Elmina in der Central Region Ghanas
Jedem Touristen, der Ghana bereisen möchte sei neben den geschichtsträchtigen Kolonialburgen und den wunderschönen Stränden auch ein Spaziergang über den berühmten Canopy Walkway im Kakum Nationalpark empfohlen. Dieser 350 m lange Rundkurs auf Hängebrücken in ca. 60 m Höhe inmitten des tropischen Regenwaldes hat meinen Puls in jedem Fall deutlich in die Höhe getrieben.
Canopy Walkway im Kakum Nationalpark
Nach 3,5 Monaten Ghana konnte ich bei meiner Rückkehr feststellen, dass ich mich tatsächlich komplett in Ghana ein- und in Deutschland ausgelebt hatte. Die ersten Tage zurück in Leverkusen waren unwirklich, ernüchternd und kalt. Unter anderem drei Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung ließen mich jedoch sehr schnell spüren, dass ich zurück bin in der geordneten und geregelten Welt 😉
Meine Zeit in meinem Vaterland war fantastisch, erlebnisreich, ermutigend, bewegend, traurig, inspirierend und warm. Ich bin froh und dankbar dafür, dass ich diese tolle Zeit erleben durfte und hoffe bald wieder für ein paar Wochen meine Familie und Freunde in Ghana besuchen zu können. Bye-Bye, Akyire!