Home News & Reports Besorgniserregende rechtsextreme Gewalt in Deutschland: 9 Tote in Hanau, bei Frankfurt

Besorgniserregende rechtsextreme Gewalt in Deutschland: 9 Tote in Hanau, bei Frankfurt

by alika1000

In der Nacht vom 19. Februar griff ein bewaffneter Mann zwei Shisha-Bars an und tötete mindestens neun Menschen. Alle hatten einen “Immigrationshintergrund”, wie die meisten der Verletzten. Fünf der Toten sollen türkische Staatsangehörige sein. Eine Schießerei in der Stadt Hanau bei Frankfurt scheint Steinmeier leider Recht zu haben.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer offiziellen Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin eine große Warnung ausgesprochen: “Hass und Missbrauch breiten sich aus”, sagte er vor einem Publikum, zu dem auch sein israelischer Amtskollege gehörte. Nachdem er sich vorgestellt hatte, dass “die Gespenster der Vergangenheit mit der Zeit verschwinden” würden, sehen die Deutschen sie nun “ihre hässlichen Köpfe in einem neuen Gewand wieder erheben”.

Der Amoklauf begann gegen 22 Uhr und scheint sich um zwei Shisha-Bars in Einwanderergebieten der Stadt gedreht zu haben. Nachdem er das Feuer in der Shisha-Bar um Mitternacht eröffnet hatte, floh der Verdächtige dann mit dem Auto in die Arena-Bar und das Café, wo der Angriff fortgesetzt wurde. Die Shisha-Bars, die zunächst in der türkischen Gemeinde der Stadt entstanden, sind in den letzten Jahren bei jungen Deutschen sehr beliebt geworden. Die Türkei nannte die Schießerei einen “rassistischen Angriff” und sagte, fünf ihrer Bürger seien unter den Toten. Die deutschen Behörden haben die Nationalität der Opfer noch nicht öffentlich bestätigt, aber die Staatsanwaltschaft sagte, die Opfer seien zwischen 21 und 44 Jahre alt und sowohl ausländische als auch deutsche Staatsbürger seien getötet worden. Sechs weitere wurden bei den Anschlägen verletzt, einer davon schwer.

Die Polizei nannte den Schützen zwar nur Tobias R., gab aber auch Informationen über seinen Geburtsort und sein Geburtsdatum bekannt.

Der Hanauer Schütze – Tobias Rathjen

Diese Angaben stimmen mit dem überein, was ein Mann namens Tobias Rathjen auf seiner persönlichen Website veröffentlicht hat. Bundesanwalt Peter Frank sagte Reportern, dass die Website des mutmaßlichen Mörders eine “Art Manifest” enthalte, das “verwirrte Gedanken”, “Verschwörungstheorien” und eine “zutiefst rassistische Haltung” enthalte. Die Website wurde abgebaut. YouTube sagte, sie habe am Donnerstagmorgen das Konto eines Mannes namens Tobias Rathjen gesperrt. Das jüngste Video, das am 14. Februar hochgeladen wurde, ist mit Rathjens persönlicher Website verlinkt. Der Verdächtige hatte einen legalen Waffenschein, sagte Beuth. Nach dem nationalen Waffenregister Deutschlands gab es im Jahr 2015 5,7 Millionen Waffen in Privatbesitz und 1,5 Millionen Waffenbesitzer.

Im TAZ Kommentar von Stefan Reinecke “Deutschland war nie so freundlich und liberal, wie es gerne glaubt. Im Angesicht des Rechts-Terrors aber wird klar: Alle Bekundungen sind zu wenig. Die Bundesrepublik hat ein freundliches Bild von sich selbst entworfen. Sie ist aus der Geschichte der NS-Gewalt klug geworden, fest im Westen vertäut und weitgehend gewappnet gegen die autoritäre Verführung, die derzeit global an Boden gewinnen. Wir hingegen sind fast streberhaft bemüht, einen liberalen, weltoffenen Eindruck zu machen.
Diese Erzählung war schon immer zu glatt, zu nett, zu sehr von Selbstlob getränkt. Jetzt ist sie ein Grund, warum es so schwierig ist zu begreifen, was offenkundig ist: Es gibt einen rechtsterroristischen Angriff auf die Republik, eine blutige Spur, die von den Morden des NSU über den Mord an Walter Lübcke und den Anschlag auf die Synagoge in Halle bis zu den Toten in Hanau reicht. Dieser rechte Terror ist ein tiefer Kratzer im netten Bild der Bundesrepublik als Hort von Vernunft und Zivilität. Weil die rechten Morde dazu nicht passen, fällt es enorm schwer, die Angriffe so ernst zu nehmen, wie sie sind“.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas verurteilte die Ausbreitung rechter Angriffe: “Sollte sich der Verdacht bestätigen, ist die grausame Tat in Hanau der dritte rechtsextreme Mordanschlag in Deutschland innerhalb eines Jahres”, sagte er. “Der rechte Terrorismus ist wieder zu einer Bedrohung für unser Land geworden. Es gibt absolut nichts zu relativieren.”
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nach dem Anschlag eine geplante Reise in die Stadt Halle abgesagt hat, sagte, die Beweise deuteten mit überwältigender Mehrheit auf extremistische Motive hin. “Es gibt derzeit viele Hinweise darauf, dass der Täter aus rechtsextremistischen, rassistischen Motiven gehandelt hat – aus Hass gegen Menschen anderer Herkunft, anderer Glaubensrichtungen oder anderer Erscheinungsformen”, sagte Merkel aus Berlin. “Rassismus ist ein Gift, Hass ist ein Gift”, so Merkel weiter. “Ich denke jetzt vor allem an die Familien und Freunde der Ermordeten”, sagte Merkel aus Berlin. Niemand von uns kann das Leid, das die Täter über sie gebracht haben, ermessen. Ich trauere mit ihnen und drücke ihnen mein tiefes Mitgefühl aus.”

“Wir glauben, dass es im Interesse der Angehörigen der Opfer ist, wenn das Verbrechen und seine Hintergründe schnell aufgeklärt werden”, fügte sie in einer Erklärung hinzu. Der hessische Landtag im Bundesland Hanau hat am Donnerstag alle Sitzungen ausgesetzt. Eine Mahnwache für die Opfer in Hanau am Donnerstagabend wurde zu einem spontanen Protest gegen den Extremismus. Einige Teilnehmer trugen Schilder, die Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anprangerten.
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Eine Chronologie der rechten Gewalt in Deutschland:

Hanau Feb. 2020
In Hanau tötete der mutmaßliche Täter Tobias R. zehn Menschen. Die Tatorte: eine Shisha-Bar in der Innenstadt und ein Kiosk im Stadtteil Kesselstadt – dort erschießt der mutmaßliche Täter neun Personen – alle hatten einen Immigrationshintergrund, fünf von ihnen einen türkischen Pass. Am Morgen nach der Tat findet die Polizei den 43-Jährigen sowie seine 72-jährige Mutter tot in seiner Wohnung. Lesen Sie alle Entwicklungen nach den Schüssen in Hanau in unserem Newsblog. Der Überblick: Was wir über den Anschlag in Hanau wissen – und was nicht.

Halle Oktober 2019
In Halle in Sachsen-Anhalt versucht Stephan B. in die dortige Synagoge einzudringen. Als das misslingt, erschießt er auf der Straße eine 40 Jahre alte Frau und später in einem Imbiss einen 20 Jahre alten Mann. Nach Auffassung der Ermittler wollte B. aus rechtsextremen Motiven in der Synagoge ein Massaker anrichten. Die Synagoge war am Feiertag Jom Kippur voll besetzt.

Kassel Juni 2019:
Der prominenten Bürgermeister Walter Lübcke wird auf der Terrasse seines Hauses in dem kleinen Dorf Istha in Mitteldeutschland von einem rechtsextremen Unterstützer erschossen. Mutmaßlicher Todesschütze ist der Rechtsextreme Stephan E. Motiv für den Mord sind vermutlich Äußerungen Lübckes aus der Zeit der Flüchtlingskrise 2015.

München Juli 2016:
Der 18 Jahre alte David S. erschießt am Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) neun Menschen, bevor er sich selbst erschießt. Die zum großen Teil jugendlichen Opfer stammten aus Einwandererfamilien. S. kannte seine Opfer nicht, wählte sie aber offenbar aufgrund ihres Aussehens aus. Mehr als drei Jahre nach der Tat und auf Grundlage mehrerer Gutachten stuften die Ermittler die Morde vergangenes Jahr als rechtsextremen Anschlag ein. Die Waffe hatte sich der Täter im Darknet besorgt.

Köln Oktober 2015: 
Ein Rechtsextremist greift die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker mit einem Messer an und verletzt diese sowie eine neben ihr stehende Frau schwer. Auslöser soll Unzufriedenheit mit Rekers Flüchtlingspolitik gewesen sein.

Eisenach November 2011:
Die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) fliegt nach einem Banküberfall auf. Bis zum Jahr 2007 töten die beiden Männer insgesamt neun Migranten und eine Polizistin, sie begehen zwei Sprengstoffanschläge und mehr als ein Dutzend Überfälle. Beate Zschäpe sorgt für den Anschein eines bürgerlichen Lebens im Untergrund. Die meisten Todesopfer waren Gewerbetreibende mit türkischen oder griechischen Wurzeln. Bekannt wird die Terrorserie erst 2011 nach einem mutmaßlichen Suizid von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, Zschäpe verschickt danach Bekennervideos zu den Taten. Sie wird zu lebenslanger Haft verurteilt.

Düsseldorf
Juli 2000: Bei einem Attentat auf Zuwanderer aus Osteuropa werden zehn Menschen verletzt, ein ungeborenes Kind stirbt. Der Sprengsatz war an der S-Bahn-Station Wehrhahn befestigt. Das Landgericht spricht einen Verdächtigen mit Kontakten in die rechte Szene wegen „dürftiger Beweislage“ Mitte 2018 frei. Die Tat ist weiter ungeklärt.
Solingen
Mai 1993: Bei einem Brandanschlag auf das Haus einer türkischen Großfamilie werden fünf Frauen und Mädchen getötet, 14 Menschen werden verletzt. Die vier Täter aus der Solinger Neonaziszene werden wegen Mordes verurteilt. https://www.youtube.com/watch?v=EtHQmf-x8x4

Mölln
November 1992: Neonazis setzen ein von Türken bewohntes Haus in der schleswig-holsteinischen Stadt in Flammen. Drei Frauen sterben. Ein Täter muss lebenslänglich in Haft, sein jugendlicher Komplize für zehn Jahre.
Lübeck 1996: Viele Afrikanische Asylbewerber sterben. Kein Nazi-Anschlag – oder doch? Zehn Tote, zwei Urteile, kein Schuldiger

Rostock-Lichtenhagen
Zwischen dem 22. und 26. August 1992 gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter im sogenannten Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen waren die massivsten rassistisch motivierten Angriffe in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Hoyerswerda – Brandsätze gegen Menschen
Auf dem Markt der sächsischen Kleinstadt Hoyerswerda werden am 17. September 1991 vietnamesische Händler angegriffen. Das ist der Auftakt für fünf Tage Hass und Gewalt im rechtsfreien Raum. Brandsätze fliegen auf das Asylbewerberheim, die Polizei kapituliert vor den Nazis.


Lübeck 1996:

Kein Nazi-Anschlag – oder doch?
In den 90er-Jahren wohnten darin Asylbewerber. Vor allem Afrikaner, die vor Kriegen in ihren Heimatländern geflüchtet waren. “Sie waren nach Deutschland gekommen, um hier Schutz zu finden”, steht auf einem mannshohen grauen Stein. Er soll an die Nacht mahnen, als zehn von ihnen starben.

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