von Prof. Dr. Ivor Miller – (Gastprofessor, Zentrum für schwarze Diaspora, DePaul Universität, Chicago) – Während der transatlantischen Versklavung im mittleren 16.- 18. Jahrhundert wurden viele Sklaven in die neue Welt gebracht. Diese Sklaven waren der Anfang der kulturellen Verpflanzung und errichteten traditionelle afrikanische Institutionen in vielen westlichen Ländern.
Epke, eine Institution mit jahrelanger heiliger Tradition war eine von ihnen. Epke ist eine heilige Gemeinschaft und offen für alle Männer der Region Calabar in Ostnigeria. Diese Gemeinschaft vom Calabar Fluss gab es über mehrere Jahrhunderte in Ost- Nigeria, bis sie sich ins Hinterland ausbreitete und sich von da aus auch von Akwa- Ibom (Uyo) bis in die Bundesländer Abia, Imo und Eboyi erstreckte.
In den Bundesländern Abia, Imo und Eboyi haben die Menschen dem Epke, entsprechend ihres Dialektes, unterschiedliche Namen gegeben. Im Orlu- Gebiet des Bundeslandes Imo in Nigeria heißt er “Okonko”. Die Namensänderung hat aber keinen Einfluss auf das Geheimnis der internen Abläufe. Vor kurzem war Dr. Ivor Miller, Gastprofessor, Zentrum für schwarze Diaspora, DePaul Universität, in Chicago auf einer Forschungsreise, um den Ursprung des Epke in Kuba zu finden.
Nach Professor Miller war der Ekpe im Jahre 1830 in Kuba von den Menschen neu geschaffen wurden, die ursprünglich als Sklaven von der Calabar Region nach Amerika, Kanada und Argentinien gebracht wurden. In Kuba gibt es über 120 Logen mit 20.000 Mitgliedern. Die Forschung des Professors wurde durch die Westafrikanische Forschungsvereinigung der Universität Boston möglich gemacht, damit die Informationen an die Epke – Mitglieder weitergegeben werden können und diese sich wieder vereinen, kennen lernen und Erfahrungen austauschen können. Des Weiteren gibt es auch Pläne, die Kubaner offiziell zu dem Epke Festival nach Nigeria einzuladen, damit diese ein Gefühl der kulturellen Zusammengehörigkeit erfahren.
Ein besonders bewegender Teil dieser Wiederentdeckung war, dass die Menschen von Calabar Professor Miller herzlich willkommen hießen und ihm den häuptlingsähnlichen Titel Esu Mbakara gaben. Esu hat ungefähr die Bedeutung eines Nachrichtenüberbringers, während Mbakara so viel heißt wie das Zusammentreffen der Region mit europäischen Händlern. Als man ihn darauf ansprach, was er den mit dem Titel zu tun gedenkt, sagte der Professor, er würde ihn dazu nutzen, um zwischen den Kubanern und den Calabars zu vermitteln. Um ein Mitglied der Ekpas werden zu können, muss man eingeführt werden. Dieser Prozess beinhaltet Rituale sowie die Einführung in Geheiminformationen. Das bedeutet, man verfügt über privilegierte Informationen.
Miller sagte auch, dass er Teil der Religion der Yoruba- Gruppen in Cuba sei. Er erklärte, das Beste an der afrikanischen Tradition sei ihre Offenheit für äußere Einflüsse. Sie schließt nichts aus – das Ergebnis kann man im Epke sehen.
Es gibt verschiedene Themen, mit denen die afrikanische Religion auf unsere kriegsgeschädigte und Rassen diskriminierende Welt anspielt. Sie gibt folgende Nachricht an die Welt weiter: Wir akzeptieren unsere Unterschiede und sind so in der Lage, eine Gemeinschaft zu schaffen, die auf Offenheit basiert und nichts ausschließt.
Außerdem sagte Miller:“ Ich denke, das aufregendste ist, dass ich so gut in Calabar aufgenommen wurde. Ich mache nichts ohne die Menschen hier und ich glaube, ich habe schon eine ganze Menge erreicht. Die Leute hier haben mich bei der Hand genommen und mir geholfen, die richtigen Menschen zu treffen. Das ist die erste Nachricht. Die Leute aus Calabar sind über diese Mission sehr aufgeregt. Eine zweite Nachricht ist, dass die Erinnerung der Kubaner sehr genau ist. Wir konnten bestätigen, dass viele ihrer gesprochenen Sprachen auch von den Leuten hier verstanden werden. Ironischerweise beweist dies, dass viel der tiefgehenden nach Amerika gebrachten afrikanischen Kultur erhalten werden konnte. Dies ist ein wichtiger Teil der Geschichte der Menschheit. Es ist wichtig für die Kubaner zu wissen, dass ihre Lieder auch von den Menschen auf der anderen Seite- von den Afrikanern in Calabar- gesungen werden.
Die Gemeinde Abakuá wurde 1830 von den Anführern der lokalen Regierung Cross River, die als Sklaven verschleppt wurden, in Havanna, Kuba gegründet. In den folgenden 170 Jahren ist die Gemeinde, die durch die Mitglieder der Epke- Gemeinde so wie durch die Mitglieder der Ngbe- Gemeinde entstand, so stark in ihrer Bedeutung gewachsen, dass sie als vollkommen anderer Teil der kulturellen kubanischen Identität gesehen werden kann. Ein Jahr später habe ich einen Artikel über die Einflüsse der Abakua- Gemeinde auf die Volksmusik veröffentlicht, in welchem ich die Schlüsselphrasen esoterischer Gesänge übersetzt habe, die die Handlungen jener Efik- Anführer dokumentieren, die dazu beigetragen haben, diese Gemeinde zu gründen.
Während Herr Orok Edem, ein Efik- Gelehrter in den USA, nach Informationen über die kubanische Abakua- Gemeinde suchte, stieß er auf meinen Text und kontaktierte mich über die AfrocubaWeb- Seite. Er erkannte nicht nur viele Begriffe wieder, die auch noch heutzutage von den Abakua verwendet werden, sondern auch Efik Ortsnamen, die in ihren Liedern erwähnt werden. Der Schlüsselbegriff war “Efí Kebutón”, der Name der ersten Abakua- Gruppe in Kuba, die später auch “Obutong” – nach einer Efik- Stadt in Calabar- genannt wurde. Nach den Cross River- Geschichten war dies der Ort, an dem die Efik- Anführer und ihr gesamtes Gefolge von britischen Schiffen gefangen genommen worden waren. Die kubanischen Gesänge dokumentieren anhand der Texte ihre Ankunft am ihrem endgültigen Bestimmungsort in Havanna.
Diese Information macht die fabulösen Geschichten der komplexen, geheimen Gemeinschaft, die unter den Bedingungen der Sklaverei gegründet wurde, rationaler. Die Gründung wurde dadurch möglich, dass die Anführer des engen Zirkels in Verbindung mit Havanna gebracht wurden, einer kosmopolitischen Stadt, mit einer großen freien schwarzen Bevölkerung unter all den mittlerweile sehr zahlreichen Cross River- Menschen. Orok Edem nimmt an, dass ich so den Austausch zwischen der Gruppe der kubanischen Abakua und der nigerianischen Efik bei dem Treffen der Efik National Association am 28. Juli in Brooklyn, NY vereinfacht habe. Als Präsident Samuel Eyo mich kontaktierte fing ich an, mit Asuquo Ukpong, einem Ekpe- Gründermitglied und Informationsdirektor der Efik Association zusammen zu arbeiten.
Herr Ukpong half, ein Programm mit Diabel Faye (am 18. Juli) – dem Gastgeber der Show “Rhythm and News” (ehemaliges Radio Kankan) bei WBAI, dem Pacifica- Radio in New York, beim Efik- Treffen und der kubanischen Kulturverbindung) zu organisieren. Diese Gesprächsrunde bestand aus Chief Joseph Edem, ein Efut Ngbe (Ekpe) Anführer, Herr Ukpong, C. Daniel Dawson (ein afrikanischer Diaspora- Experte) und Diabel Faye. Ich sprach die Angelegenheit bezüglich der Ekpe/Ngbe Kultur und seiner Diaspora an. Außerdem hatten wir die Aufnahme der Abakua Musik im Programm, dieselbe, die ich verwendet hatte, um den Abakuá Satz über Efík Ebúton zu beschreiben. Glücklicherweise lebte der fachkundige Sänger dieser Aufnahme, Herr Román Diaz, dessen Worte ich in meinem Artikel übersetzt hatte, damals in New York. Als er hörte, welche Bedeutung dieses Treffen annahm, stimmte er zu, auch an einer Aufführung der Efik Ekpe- Maskerade teil zu nehmen.
Am nächsten Sonntag (22.Juli) trafen Herr Ukpong, Herr Dawson, Jabel und ich Román Diaz und weitere Abakuá, die in der Esquina Habanera in Union City, New Jersey das aufführten, das als der beste Rumba der USA bekannt ist. Die Kubaner erkannten sofort die Bedeutung dieses Treffens. Wir luden alle zu dem Efik Treffen ein, da ein großes Interesse bei den Musikern bestand. Minuten später eröffneten sie ihre Show mit Gesängen und Tänzen zu Eleguá. Dann spielten sie Yambu (Rumba) und verschiedene Guaguancó (Rumbas).
Asuquo Ukpong bemerkte enthusiastisch, wie viele mögliche Verbindungen zwischen dieser Kultur und der seines Heimatlandes bestanden. Zum Beispiel bemerkte er, dass die Schritte der Frau beim Yambu gleich denen der Frau beim Efik Gesellschaftstanz waren.
Er stellte fest, dass die Metallglocke, die sie spielten, sich gleich anhörte wie die Ekpe Ekon- Glocke. Als einer der Guaguancós in Abakuá- Gesang überging, lehnte er sich zu mir herüber und sagte mir: “Ich muss aufstehen und tanzen!” Das tat er dann auch. Als ich hörte, dass die Gruppe öfter spielt, spürte ich die starke Emotion hinter dieser Aufführung. Als Asuquo zu der Musik tanzte, stellte sich Román auf die Mitte der Bühne, platzierte die Trommel auf die Ecke des erhöhten Bodens, blickte nach oben und spielte einen Rhythmus zu Asuquos Bewegungen. Asuquo kommunizierte in Zeichensprache, indem er symbolisch seine Augen bewegt und mit den Händen gestikulierte.
Pedrito Martínez, ein weiterer Musiker und Tänzer kam, um Asuquo tänzerisch und mit symbolischen Gesten zu begleiten. In der einen Hand hielt er ein Taschentuch, in der anderen ein Iton (kurzer Stock). Während aber Asuquo seine Arme nahe am Körper hielt, breitete Pedrito seine weit aus, wirbelte mit dem Taschentuch und streifte Asuquo damit. Mit dem Stock in seiner Hand machte er das Zeichen des Kreuzes. Das war das erste Mal seit langer Zeit, dass die Mitglieder dieser Gruppen aufeinander trafen. Die Möglichkeit über Rhythmus und Bewegungen miteinander kommunizieren zu können, spricht viel für eine kulturelle Sensibilität, die sie miteinander teilen, wobei allerdings die englischen und spanischen Kolonialsprachen die verbale Kommunikation behindern.
Am 28 Juli fuhr ich mit drei Abakua Mitgliedern und drei kubanischen Musikern zu dem Efik National Association im Pratt Institut. Zum Vergnügen aller tanzte ein maskierter Ekpe Idem 20 Minuten lang. Sein Gesicht war schwarz, ausgenommen einer weißen Feder an Stelle seiner Augen. Das verlieh ihm etwas Mystisches. Nachdem die Ubaner dies gesehen hatten, bereiteten sie sich auf ihren Auftritt vor. Sie baten mich, sie als Repräsentanten der kubanischen Efik wie folgt vorzustellen:
Vicente Sánchez, Obonékue der Apapa Umon Efik, Román Díaz, Moní Bonkó von Apapa, Umon Efik,José “Pepe” Hernández, Ísue von Efori Nandibá Mosongo,Frank Bell, David Oquendo.
Als Frank Bell einen Íreme- Brauch vorbereitete (abgeleitet von dem Efik- Wort Idem), merkte er, dass ein besonderes Kleidungsstück für die Hüfte kaputt war, wie auch die Kaniká Glocken, die ebenfalls um die Hüften geschnallt werden. Da die Efik Idem- Maskerade aber ähnlich der des kubanischen Ireme- Kostüms sind, konnten die fehlenden Utensilien kurzerhand von den Efik Idem ausgeborgt werden. Die vier Biankomo Trommeln aus Kuba sind vom Design her denen der Efik Trommeln sehr ähnlich.
Die Aufführung der Kubaner dauerte 20 Minuten. Die kubanischen Ireme beeindruckten die Efik insbesondere dadurch, dass sie ritualgemäß die Anwesenheit der Ältesten begrüßten, indem sie symbolisch gestikulierten und mit einem Kräuterstrauß reinigten. Als Román vor den Ältesten stand, fiel er auf die Knie und führte einen langen Enkame (Gesang) der kubanischen Efik auf; in dem Moment war er vollkommen energiegeladen und inspiriert.
Die sofortige und gegenseitige Anerkennung der Efik und der kubanischen Abakuá führte zu Basisfragen bezüglich der Weiterführung der westafrikanischen Kultur in der Karibik sowie der Einfluss dieser weitergeführten Kultur in der Karibik auf Westafrika, wo die Menschen ihre lokalen Geschichten wieder aufleben lassen und neue Traditionspraktiken formen, um mit neuzeitlichen Angelegenheiten des Nationalstaates wie Bildung und wirtschaftliche Globalisierung zurecht zu kommen.
Die Tatsache, das sowohl Efik Ekpe Mitglieder, wie auch kubanische Abakua Mitglieder sich mit der Sprache und den rituellen Praktiken der jeweils anderen Gruppe identifizieren können, lässt auf die Bedeutung des Gedächtnisses der Ältesten und der Tradition eine neue, lokale, ethnische Identität schaffen, die der Entfremdung entgegenwirkt, indem ein soziales Zusammengehörigkeitsgefühl aufrecht erhalten wird.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]