Von EAC-USA Korrespondent: Gyavira Lasana
Ich habe ein Jahr in China Englisch unterrichtet und werde nun hier Auszüge aus dem Tagebuch, das ich während dieser Zeit geschrieben habe, veröffentlichen. Es sind nur die ersten 6 Monate angeführt. Der Rest erscheint zu einem späteren Zeitpunkt auf dem EuroAfricaCentral Magazine Online. Am 15. Februar flogen meine Frau Helen und ich vom JFK Airport nach Beijing (der Flug hatte 12 Stunden Verspätung). Mehr als 16 Stunden später saßen wir im Flieger von Beijing nach Zhengzou (wird JUNG- jou gesprochen), wo uns Herr Dai bereits erwartete. Er war ein freundlicher Mann, der alle Angelegenheiten zwischen mir und dem Shengda College regelte, wo ich eine Stelle als Lehrer angenommen hatte. Auf der Fahrt im Kleintransporter vom Flughafen nach Shengda konnten wir und ein erstes Bild von einem China machen, das uns das kommende Jahr über begleiten würde:
Neue oder noch im Bau befindliche Wohn- und Büroblöcke erstreckten sich kilometerlang über die Landschaft. Wir nannten es “mächtiges Zhengzhou,” und dieser chinesische Kraftprotz in einer modernen Welt prägte nahezu alles, was wir von nun an sahen. Das Shengda College befand sich tatsächlich in Longhu, 45 Minuten vom Zentrum von Zhengzhou entfernt. Die Gemeinde war von einer Mauer umgeben und trennte die Schüler und Angestellten von einem armen, aber wilden und vibrierenden Leben, das sich vor den Mauern abspielte, dem Zhongshan Lu. Bei unserer Ankunft führte uns Herr Dai in ein warm eingerichtetes, helles Apartment mit weißem Steinboden, das sich im Gebäude für ausländische Lehrer befand. Auch dieses Gebäude war seit kurzem von einer Mauer umgeben. Dieser zusätzliche Schutz war nötig, so wurde uns später gesagt, da besonders reiche Gründerfamilien auf der anderen Seite des Campus leben.
Unsere Unterkunft hätte angenehmer nicht sein können. Die Wohnung befand sich im vierten Stock und es gab einen Aufzug. Sie hatte zwei Schlafzimmer, eine Küche, ein großes Wohnzimmer, Fernsehen (es wurden aber nur patriotische Filme an Neujahr gezeigt und CNN war größten Teils geblockt), heißes
“Vorweg muss ich Ihnen etwas ganz Allgemeines über die Chinesen sagen: Sie waren mehrere Jahrzehnte vollkommen isoliert und hatten keinerlei Kontakt zu Ausländern und schon gar nicht zu Schwarzafrikanern. Jemand wie ich löst somit einen kleinen Aufstand aus. Und das passierte in allen Teilen Chinas, die ich besuchte, sei es nun in den ländlichen Gegenden im Norden und im Westen Chinas oder in den sogenannten Weltstädten Beijing, Hongkong und Shanghai. Ihr Verhalten übertrifft Rassismus, und eine erhebliche Iignoranz”
Wasser, eine Waschmaschine (die Helen fast täglich benutzte), sauberes Wasser aus großen, blauen Tonnen und zusätzlich zu dem Laptop, den wir mitgebracht hatten konnten wir einen weiteren Computer verwenden. Keiner von uns beiden hatte in den letzten Jahren so luxuriös gelebt und plötzlich schlich sich bei uns das Gefühl ein, etwas Besonderes zu sein.
Wir kamen zur Neujahrszeit an, dem ersten Vollmond im Kalender. Dies ist der heiligste und wichtigste Feiertage in China. Es ist ein Familienfest und alle Chinesen bleiben zuhause um zu essen, Geschenke auszutauschen und mit ihren Verwandten zu feiern. Folglich war der Campus bei unserer Ankunft wie leer gefegt und das Leben in Zhongsgan Lu recht ruhig. Helen und Ich fanden schnell heraus, dass uns das bisschen Chinesisch, dass wir uns über das Internet angeeignet hatten, nicht weiter half.
Wir mussten auf alles mit dem Finger zeigen. Außerhalb der Mauern von Shengda sprach keiner Englisch. An unserem ersten Abend bekamen wir Besuch von Eric, einem 20- bis 30- jährigen chinesischen Amerikaner der in Shengda als ESL Lehrer arbeitete. Er klärte uns kurz über das Leben auf dem Campus auf und gab uns ein paar DVDs. Diese bildeten fortan und während unseres gesamten Aufenthaltes in China unseren Unterhaltungsbestand. DVDs kosten ca. 75 Cent und oftmals kommen die Filme hier eher raus als in den USA.
Am nächsten Tag ging ich auf eine Party auf der anderen Seite des Campus und traf viele andere Lehrer: Joe, einen jungen Nigerianer, der schon seit 3 Jahren in China lebt; Edward, ein schwarzer, französischer Kanadier; Natalia, eine Russin, die Englisch unterrichtet und seit einigen Jahren in Shengda und sehr viel länger in China ist, Von, eine junge, sehr kleine Philippinin (ich dachte erst, sie sei ein Mann), die erst seit zwei Jahren in China ist. So, musste ich annehmen, wird also Englisch in China unterrichtet- von nicht Englisch Muttersprachlern.
Gut. Ein paar Tage später trafen wir Wie Xue, Beamtin für auswärtige Angelegenheiten, und unsere Ansprechpartnerin. Sie setze sich besonders dafür ein, uns davon zu überzeugen, Shengda eine Chance zu geben. Dann trafen noch weitere Personen ein: Matt und Beth (jung) aus England; David und Gayle (um die 60) aus Australien; Christina und Joshua (jung und ziemlich engagiert) aus den USA; Jay und Amy (um die 40 und ausgezeichnete Lehrer) aus dem Hinterland des südlichen Illinois und ein älteres Ehepaar (beide entsetzliche Lehrer) aus den USA.
Das Institut wurde von Dean Chen geleitet, einem freundlichen Shanghai Apparatchik, der ausgezeichnet Englisch sprach, aber keinerlei Ahnung von Shinola hatte. Seine rechte Hand war der pummelige Herr Wong, der ebenso inkompetent war, aber doch schlau genug, um sich während der Arbeit NBA Spiele auf seinem Laptop anzusehen. Der Unterricht begann im frühen März und ich stellte zu meinem Entsetzen fest, dass ich 360 Schüler hatte! Ich hatte 6 Wirtschaftsenglisch- Kurse mit über 30 Studenten und 3 fortgeschrittene Literaturkurse mit jeweils 60 Studenten. Ich konnte eigentlich nur versagen.
Aber ich tat es nicht. Ich teilte einen lausigen Text im Wirtschaftsenglischkurs aus und stellte Wochenthemen rund um die Jugendkultur vor: Das Geschäft mit dem Internet, Musik, Filme, Mode, usw. In diesen Kursen wandte ich eine Methode an, die ich am Spracheninstitut in New York gelernt hatte: das sammeln von Vokabeln und das Diktieren von Sätzen. Auch mein Literaturkurs bekam einen miserablen Text, aber hier entschied ich mich, auch komplexere Satzstrukturen einfließen zu lassen und lehrte das Bearbeiten von Texten. Es funktionierte ganz gut bis auf die Tatsache, dass ich jetzt jedes Wochenende 150 Aufsätze korrigieren und benoten musste. Meine beste Idee war es, für den besten Aufsatz ein „I love NY“- T-Shirt als Preis zu verleihen. Der Wettbewerb war hart und einige Studenten weinten und beharrten darauf, dass ihnen das T-Shirt als Preis zustand. „Warum hast du ihr das T-Shirt gegeben? Mein Aufsatz war viel besser. Sie ist meine Zimmergenossin, jetzt muss ich mir das die ganze Nacht anhören.” Und so weiter.
Meine Studenten? Vorweg muss ich Ihnen etwas ganz Allgemein über die Chinesen sagen: Sie waren mehrere Jahrzehnte vollkommen isoliert und hatten keinerlei Kontakt zu Ausländern und schon gar nicht zu Schwarzafrikanern. Jemand wie ich löst somit einen kleinen Aufstand aus. Und das passierte in allen Teilen Chinas, die ich besuchte, sei es nun in den ländlichen Gegenden im Norden und im Westen Chinas oder in den sogenannten Weltstädten Beijing, Hongkong und Shanghai. Ihr Verhalten war aber nicht rassistisch gemeint, sondern nur vollkommen ignorant. Und meine Studenten waren nicht anders. Die chinesische Bildung beruht hauptsächlich darauf, zuzuhören, zu gehorchen und auswendig zu lernen. Sie bereitet die Studenten aber nicht darauf vor, auf Menschen aus anderen Teilen der Welt zu begegnen. China ist deine Familie und vielleicht deine Heimatstadt aber nichts darüber hinaus. Die Hand auch dem Unbekannten entgegen zu strecken, ist gänzlich unbekannt.
Somit mussten zwei neue Prinzipien eingeführt werden: Respekt gegenüber anderen (sei still und hör zu, wenn andere- insbesondere ich- reden) und auswendig lernen bringt dich in meinem Kurs nicht weiter. Du musst die Sprache sprechen und fühlen und nicht Vokabeln auswendig lernen. Verwende fünf Wörter anstatt dich an 50 zu erinnern. Und so machte ich es. Ich schmiss die Studenten raus, die andere nicht respektierten und ließ jene durchfallen, die nicht die Sprache sprachen.
Aber es funktionierte nicht. Das chinesische System des Auswendiglernens saß so stark in den Köpfen drin, dass man es nicht aus ihnen heraus bekam. Schlimmer noch, das gesamte chinesische System basiert auf einer Reihe nationaler Tests, die den Studenten sprichwörtlich auf ihre Fähigkeit des Auswendiglernens prüfen. Diese nationalen Tests gehen auf die frühe Konfuzius- Schule zurück, wo Beamte darauf gedrillt wurden, sich an lange Ausschnitte der Konfuzius- Texte zu erinnern. Heute hat keiner eine Chance an den renommierten Universitäten in Peking, Shanghai, Nanjing oder Wuhan angenommen zu werden, wenn man nicht über eine exzellente Fähigkeit des Auswendiglernens verfügt. Shengda College ist eine sehr teure (10.000 rmb im Jahr) Privatschule für solche, die es nicht an die staatlichen Universitäten geschafft hatten. Shengda ist Plan B und alle meine Schüler hatten bereits zu spüren bekommen, was es heißt zu versagen, bevor ich sie überhaupt kennen gelernt hatte.
Jeden Samstag traf sich die Shengda Belegschaft mit ihren Lieben (auch jenen Studentinnen mit denen Eric, Ed und die anderen alten, geilen Säcke Schäferstündchen hatten), um mit dem Bus, der von der Schule zur Verfügung gestellt, wurde nach Zhengzou zu fahren, um dort in den großen Supermärkten, Shoppingzentren und Märkten einkaufen zu gehen. Dies war eine wirklich aufregende Zeit für uns, es war unser erster wirklicher Kontakt zu China.
Zhengzhou ist die Hauptstadt der Henan Provinz, eine der bevölkerungsreichsten und ärmsten Provinzen Chinas. Über 100 Millionen Menschen (ein Drittel der US- Bevölkerung) leben in einer Provinz, die so groß ist wie Nebraska. Mehr als 1 Million Menschen leben in Höhlen. Man kann sie von den Autobahnen aus sehen, die rot- gestreiften Türen, die zu ihren Erd- und Steinbehausungen führen. Sie sind so unglaublich arm. Viele meiner Studenten sagen, dass ihre Eltern “Kleinbauern” sind, Zuwanderer, die auf dem Land anderer wohnen. Zhengzhou wird streng von der kommunistischen Partei kontrolliert (im Gegensatz zu, sagen wir, Shanghai) und Beamte haben hier keine Scheu, mit ihrem neu erworbenen Reichtum und ihren engen Verbindungen zu den Großlandbesitzern zu protzen. Diese kontrollieren einen beeindruckenden Teil der neuen Büros und Wohngebäuden, die dann an Ausländer oder den größer werdenden Mittelstand verkauft werden. Viele von ihnen lernten das dringend benötigte Englisch von mir.
Dennoch ist Zhengzhou chaotisch. Es ist so verseucht und verdreckt von dem neuen Reichtum, dass es keine eigene Identität hat. Es gibt McDonalds und KFC, Ralph Lauren und Chanel. Und ein paar Überbleibsel des alten Chinas, insbesondere in den neuen Parks im Norden der Stadt, wo gigantische Abbilder von Kaisern in die Wände gemeißelt wurden. Aber das ist nur Show und nicht mehr. Das einzig lohnende ist, meiner Meinung nach, das Henan Provinz Museum, mit einer beeindruckenden Sammlung an Artefakten aus Henan.
Im April machten Helen und ich einen ersten größeren Ausflug in eine andere Stadt- Xi’an (wird SHI gesprochen), einer alten chinesischen Hauptstadt im Westen Chinas und die Heimat der Terrakotta- Soldaten. Sie sollten Qin, dem ersten Kaiser Chinas, in das Leben danach folgen, um ihm zu helfen, weitere Welten zu erobern. Die Krieger wurden zufällig vor 25-30 Jahren von Bauern entdeckt, als sie nach neuen Brunnen gruben. Die chinesische Regierung hat sich das Land angeeignet und die Bauern in relativ elegante, moderne Wohnhäusern umgesiedelt. Elegant, nach chinesischen Standards.
Ein Großteil der archäologischen Ausgrabungen befand sich ein wenig außerhalb von Xi’an und war überdacht von einem beeindruckenden Überbau, der es den Besuchern ermöglicht, die Krieger so zu sehen, wie sie auch gefunden wurden. Unsere Fremdenführerin war eine junge Frau namens Candy, die versuchte, mich zu überreden an der Xi’an Universität Englisch zu unterrichten. Ich erinnere mich an die Bilder von Kriegern, die mich vor 20 Jahren in New York fesselten, aber ich war vollkommen unvorbereitet auf diese einfache Schönheit dieser antiken Artefakte. Da standen reihenweise Soldaten und Offiziere und die meisten unterschieden sich voneinander. Sie schienen in Bereitschaft zu stehen und man hatte den Eindruck, dass sie jeden Augenblick losgehen würden. Die Mähne der Pferde war geflochten und die Schützen standen oder knieten, wobei sie das Ziel genau anvisiert hatten. Alles schien so real.
Wie haben das diese alten Künstler hinbekommen? Eine Kunst, die nach ihresgleichen sucht. Bisher gibt es nichts Vergleichbares. Wie konnten sie tausende solcher Figuren schaffen ohne ungenau zu werden? Was hat sie angetrieben? Ich habe niemals zuvor solche Schönheit, solche Macht, solche Ehrfurcht und ein solches Erstaunen erlebt. Das ist der Moment in meinem Leben, der es mir erlaubt, die Vergangenheit glasklar zu erfassen.
Der Terrakotta- Komplex umfasst ein Museum, Restaurants, Bereiche für die archäologischen Teams, mehrere Bürogebäude und natürlich gut geschütztes Land. Der Komplex der Krieger sollte der chinesischen Regierung eigentlich eine Menge Geld einbringen, aber ich befürchte, dass sich nur ein paar Touristen über die Stadtgrenzen von Beijing, Hongkong und Shanghai hinaus wagen. Vielleicht kommen mehr, wenn die Transportmöglichkeiten verbessert werden.
In Xi’an gibt es beides, den Überfluss und den Verfall. So findet man in der Stadt verteilt schäbige, kleine Bordells neben beeindruckenden, neuen Wohn- und Bürokomplexen. Super trendige Discos haben eröffnet und eines der angesagtesten Nachtleben in China befindet sich hier. In den Gebieten vor Xi’an haben Fabriken eröffnet, die die Terrakotta Krieger nachbilden und in die ganze Welt verschiffen. Es gibt allerdings auch einen florierenden Handel mit anderen Kunstgegenständen, darunter Jade und Möbel.
Bei unserer Rückkehr nach Shengda hatte sich unsere Sicht auf China vollkommen verändert. Die Krieger hatten uns bewusst gemacht, wie stark der Wille der Chinesen ist, der Welt stand zu halten und wie loyal sie mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Chinas umgehen. Alles Leiden ist erlaubt, wenn es China nach vorne bringt.
Helen unterrichtete privat eine junge Frau namens Jana, das zweite Kind (uups!) in einer Welt mit einer Ein- Kind Politik. Sie wurde von ihrer Großmutter aufgezogen, wobei die Eltern, die sie niemals sah, noch immer den Daumen drauf haben. Sie wollen, dass sie hervorragend bei den IELTS Fremdsprachentests abschneidet. Jana war natürlich zu jung (kaum 18) und hatte kaum Zugang zu gutem Unterricht, ausgenommen dem öden, chinesischen System des Auswendiglernens. Helen unterrichtete Jana und nahm sie unter ihre Fittiche, wobei das Mädchen sich schon fast gefährlich auf Helen fixierte. Sie bestand den IELTS Test nicht, aber die Wochen, die sie (fast täglich) zusammen verbrachten, beeinflussten Jana sehr stark und erschöpften Helen. Ich war sehr stolz auf meine Frau. Später nahm sie einen Job an der Zhongyuan Technischen Universität in Zhengzhou an. Ihre unglaubliche Aufgabe bestand darin, den chinesischen Professoren dort die richtige Englische Aussprache beizubringen!
Mein Unterricht funktionierte derweil sehr gut, insbesondere wenn ich Tests ansetzte und meine Studenten Aufsätze schreiben ließ. Dann kam es zur üblichen Teilung des Kurses, die guten Studenten wurden immer besser und die schlechten Studenten fielen durch. An einem sonnigen Sonntag kam die liebenswürdige Frau Wei, unsere engagierte und aufmerksame Ansprechpartnerin und Beamtin für auswärtige Angelegenheiten und organisierte einen Ausflug nach Luoyang, einem Ort, der nur ein paar Stunden von Shengda entfernt war und wo man ein paar wundervolle Schnitzarbeiten und Skulpturen bestaunen konnte. Diese reichten von der Zeit 500 v.Chr. während der berüchtigten Ming Dynastie bis 200 Jahre später, in die Zeit der buddhistischen Mönche zurück.
Die buddhistischen Mönche- ein paar ausgesprochen religiöser Fanatiker- meißelten Gottheiten in die Felswände und Höhlen in Luoyang und diese Stadt wurde dann zur neuen Hauptstadt der Dynastie. Ein paar dieser gigantischen Buddhas sind einfach unmöglich zu erfassen. Als ich auf der anderen Seite des Flusses stand, war ich nur überwältigt von ihrer Größe und Präsenz, ihrer romanischen Muskulatur. Langsam aber sicher freundeten Helen und ich uns mit der Neigung der Chinesen an, gigantische Bauprojekte in diese einzigartige Natur zu setzen.
Ende April machten Helen und ich uns auf den Weg nach Beijing, wo wir ein Zimmer in einer Herberge gebucht hatten. Dort wollten wir zwei meiner früheren Studenten treffen—Bing Zhou, Chinese, und seine japanische Frau Makiko. Das erste Mal traf ich sie am Spracheninstitut in New York, wo ich kurze Zeit arbeitete, bevor ich nach China flog. Bing ist Chinese, Makiko Japanerin, ein ziemlich seltsames Paar für diesen Teil der Welt. Beide arbeiten in einem Chinesisch- Japanischen Übersetzungsbüro.
Unsere Herberge lag in einem nahegelegenen Hutong oder Ghetto, nur 20 Minuten vom Osten Chang’an Lu entfernt. Die Hauptstrasse führte direkt zum Tianamen Platz, der verbotenen Stadt, dem Kaiserpalast, Mao’s Mausoleum, sowie anderen chinesischen Kulturschätzen. Beijing ist eine großartige Stadt, zu vergleichen mit London, Paris, New York. Die Einwohnerzahl von 16 Millionen übersteigt die von Berlin & Washington, D.C. zusammen, dennoch herrscht hier nicht das Chaos wie in NYC. Und Beijing wächst weiter.
Die Moderne hatten meine und Helens Vorstellung in Zhengzhou völlig überstiegen. Tausende von glitzernden, riesigen Gebäuden werden täglich hoch gezogen und sieben neue U-Bahnlinien befinden sich im Bau um die drei schon existierenden Linien zu ergänzen. Alles bereitete sich auf die bevorstehenden Olympischen Spiele vor. Alles wird neu angestrichen und Blumengärten werden angelegt. Auf dem Tianamen Platz ist besonders viel los, chinesische und ausländische Touristen, Soldaten und Polizei. Der Platz wird von einem riesigen Portrait von Mao dominiert, das über dem Eingang zur verbotenen Stadt hängt. Diese wird so genannt, da der einfachen Bevölkerung über 500 Jahre der Eintritt verwehrt blieb. Mehr kann ich Ihnen darüber nicht erzählen, da wir es nie zur Gänze gesehen haben. Die verbotene Stadt öffnet regelmäßig von einem Palast und Garten bis zum anderen Palast und Garten. Es ist schier unglaublich! Die Gebäude wurden im klassischen, chinesischen Stil gebaut, es gibt wunderschöne Möbel und Räume und beeindruckende Gärten mit Drachen Skulpturen. Ein Weltwunder.
Am 2. Mai holten uns Bing, Makiko und ein Freund von Bing von der Herberge ab und fuhren mit uns zur chinesischen Mauer in Badaling, einer der besten Plätze, um die Mauer zu sehen. Die Fahrt in den Norden gaben Helen und mir die Möglichkeit, die Tiefen der Modernisierung in China zu sehen. Neue Wohnkomplexe erstreckten sich kilometerlang, fast ins Endlose. Bing erzählte uns, dass Bejing vor fünf Jahren noch ein Dschungel aus Fahrrädern und Hutongs war. Das hat sich geändert. Nun gibt es koreanische und japanische Sänftenträger (wie die, in der wir saßen) und Türme aus Stahl und Glas. Home, sweet home.
Die Chinesische Mauer ist 10.000 li oder 5.000 Kilometer lang und zieht sich vom Westen Chinas über Beijing. Die Ansammlung der Menschenmassen an der chinesischen Mauer war verrückt aber doch irgendwie passend. Ach ja- man kann die chinesische Mauer erst sehen, wenn man sie hochgeklettert ist. Erst dann sieht man das Wunderwerk in seiner Gänze. Sie ist 15 m hoch und 5 m breit und besteht aus tausenden kleinen Steinen, die von den Bauern herangetragen wurden. Sie verbindet auf magische Art und Weise die Hügel, soweit das Auge reicht. Die chinesische Mauer ist harmonisch in die Landschaft eingefügt. Vollkommen harmonisch. Was für ein Schatz! Helen und ich waren so stolz auf uns, weil wir die Mauer hochgeklettert waren, dass wir ein Foto gemacht haben. Ich sehe es als eine besondere Leistung in meinem Leben.
Zurück in Shengda ging das Leben weiter, allerdings litt ich unter der Verschmutzung. Das Atmen wurde immer schwerer. Die Chinesen haben bergeweise billige, schwefelhaltige Kohle, die sie verbrennen, da Öl mehr als $100 per Barrel kostet. Aber es verschmutzt die Luft und es riecht, als würde der Himmel brennen. Innerhalb der ersten Woche haben sich unsere Zähne braun verfärbt. Meine Zeit in Shengda näherte sich einem Ende. Im Gegensatz zu anderen ausländischen Lehrern hatte ich sehr gute Kontakte zu einigen chinesischen Lehrern. Ich saß in ihren Kursen und sie nahmen an meinen Kursen teil. Ein Professor, ShangWei, war recht überschäumend in seiner Meinung. Er verteidigte kategorisch Mao, Chou En Lai und die anderen Politiken der Nicht- Einmischung. China nahm sich alles aus den Gegenden, nach denen ihnen auch immer der Sinn stand: Tibet, Korea, Mongolei und Angola. Shit.
An einem Wochenende war die ganze Lehrerbelegschaft in einen Park im Norden von Zhengzhou eingeladen, um Bäume zu pflanzen. Dieser Ort war, wie viele andere, eine nutzlose Huldigung für tote Kaiser, die in den Bergen begraben wurden. Aber genug davon. Wovon ich eigentlich berichten wollte, ist die Einbeziehung afrikanischer Lehrer von anderen Colleges. Ein Typ aus dem Kongo trug eine bescheuerte Mao Verkleidung, Stiefel und einen Bauernhut usw. Sie verstehen sicherlich, was ich meine. Er war der Inbegriff einer Karikatur. Shang Wei beschrieb in einem seiner Kurse, an denen ich teilnahm, die Kongolesen als 2 Meter groß, was der sicherlich nicht war, und das zog die kommunistische Großspurigkeit des Typs ins Lächerliche.
Wei Xue, unsere höchst kompetente Ansprechpartnerin organisierte einige sehr nette Ausflüge für die Belegschaft. Einmal fuhren wir nach Luoyong und sahen uns die großartigen Malereien und Skulpturen von alten chinesischen Gottheiten an, insbesondere von Buddha. Danach machten wir einen Ausflug nach Luoyong -ja, ein weiteres Beispiel für die Modernisierung- dort hatten wir ein ausgezeichnetes Abendessen in einem sehr guten Restaurant. Wir wurden von hübschen Kellnerinnen bedient und ein chinesischer Unterhalter durfte bei einem landestypischen Abendessen ebenfalls nicht fehlen.
Die Henen Provinz gehört nicht zu den schönsten Orten in China, aber ich wäre vielleicht noch länger geblieben, hätte ich nicht so unter der Verschmutzung gelitten. Ich konnte im wahrsten Sinne des Wortes nicht atmen. Nach ein paar Arztbesuchen, stand für mich fest, dass ich gehen musste. Ich informierte Wie, dass ich meinen Vertrag auf sechs Monate verkürzen wolle und Helen und ich bereiteten uns auf unsere Abfahrt vor. Ich bewarb mich für Jobs an verschiedenen Orten und ich bekam ein gutes Angebot an der Schule English First in Hangzhou, einer wunderschönen Stadt mit herrlichen Gärten. Allerdings beging ich den Fehler, Dean Chen zu bitten ein Empfehlungsschreiben für mich zu verfassen und er beleidigte den Direktor von English First. Diesen Job bekam ich also nicht. Dann nahm ich einen Job an der Universität in Nantong (Jaingsu Provinz) an, die am nördlichen Ufer des Yangtze liegt, gleich an einer spektakulären Brücke und einer Autobahn, mit der man innerhalb von ein paar Stunden in Shanghai ist. Die Bezahlung war miserabel aber ich nahm den Job dennoch an, wenn auch nicht für lang.
Nachdem ich den Vertrag unterschrieben hatte, fand ich einen besseren Job an einem College in Wuxi (auch Jaingsu Provinz), nur eine Stunde von Shanghai entfernt. Die Bezahlung dort war doppelt so hoch als in Shengda und Nantong. Also erzählt ich den Leuten von Nantong eine Lüge, dass ich sofort China verlassen müsste und unterschrieb den Vertrag in Wuxi. Der Abschied in Shengda fiel uns teilweise sehr schwer- z.B. von meinen Studenten, Wei und Hillary, Herr Dai und Mary. Aber es war eine gute Entscheidung zu gehen und Ende Juni 2007 war es dann soweit.