Die sicherheitspolitische Orientierung und den geschichtlichen Hintergrund der Slowakischen Republik seit ihrer Staatsgrundung

 von

Ezeh Chinonso Kennedy

B.Sc., M.Sc., Ph.D.

 

Die Slowakische Republik entstand am 1. Januar 1993 als einer der beiden Nachfolgestaaten der frueheren Tschechoslowakischen Foederativen Republik (CSFR). Die Situation Ostmitteleuropa war zu Beginn der Slowakischen Unabhaengigkeit durch schwerwiegende Probleme, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks entstanden waren, gepraegt. Die Slowakei stand, wie die anderen ostmitteleuropaeischen Laender, alleine da, ohne Anbindung an einen grossen und starken Partner. Aus geopolitischer Sicht hatte sie ihre fruehere Verbindung zum Osten verloren. Kulturell gesehen war Slowakei vom Kontakt zur hochentwickelten westeuropaeischen Zivilisation abgeschnitten gewesen. Deshalb war sie seit ihrer Staatsgrundung bemueht, Sicherheitsgarantien zu suchen, um ihre schwererrungene Unabhaengigkeit zu bewahren.

Das Streben der Slowaken nach Unabhaengigkeit wurde in der Vergangenheit immer wieder durch Kriege (z.B. Erster und Zweiter Weltkrieg), Vorherrschaften (z.B. durch die Sowjetunion 1968) sowie die kommunistische Herrschaft unterdrueckt. Deshalb sind die Unabhaengigkeit und die territoriale Integritaet fuer die Slowaken von besonderer Bedeutung.

 

Um die Eigenstaatlichkeit nicht zu verlieren, die Slowakei versucht praktisch in die westlichen Sicherheitsallianzen reinzukommen. Durch den Zusammenbruch des Kommunismus wurden die Voelker Osteuropas von der sowjetischen Vorherrschaft befreit; dadurch kam es auch zum Ende des Ost- West-Konfliktes; (Geoffrey und Nigel Swain, 1993).

Damit entstand jedoch auch ein Sicherheitsvakuum in der Region und lange unterdrueckte nationale Feindseligkeiten wurden freigesetzt. Die Slowakei als Teil dieser Region hat – wie die anderen ostmitteleuropaeischen Staaten – das Ziel, das entstandene Sicherheitsvakuum durch die Integration in westliche Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen, insbesondere die NATO, auszufuellen. Ob das sicherheitspolitische Ziel des NATO Beitritts von der Slowakei konsequent verfolgt wird, werden wir sehen in Laufe der Zeit.

 

 

Zum Begriff der Sicherheit

Sicherheit ist von W. B. Gallie als ein ‘‘essentially contested concept“ definiert worden; (W.B. Gallie, 1962, S. 121-46). Es gibt die verschiedensten Auffassungen von unterschiedlichen Autoren darueber, wie Sicherheit definiert werden kann. Hedley Bull zum Beispiel schreibt, dass ‘‘Security in International Politics means no more than safety: either objective safety, safety which actually exist or subjective safety, that which is felt or experienced’’; (Hedley Bull, 1977, S. 18).

Wie Dieter S. Lutz in seinem Lexikon Ruestung, Frieden, Sicherheit erklaert, ist das deutsche Wort ‘‘Sicherheit“ vom lateinischen securus (= sicher) abgeleitet; (Dieter S. Lutz 1987, S. 289). Dieses Wort setzt sich wiederum aus den Elementen se(=ohne) und cura (=Sorge) zusammen. Sicherheit bedeutet also urspruenglich einen Zustand ,,ohne Sorge,,. Heute versteht man unter Sicherheit im allgemeinen das Fehlen einer Bedrohung bzw. den Schutz davor (= negativer Sicherheitsbegriff) (Dieter S. Lutz und Wolfgang W. Mickel 1986, S. 447). Sicherheit im

 

postiven Sinn bedeutet nach Wichard Woyke “den Bestand von Erwuenschtem“; (Wichard Woyke in Wolfgang W. Mickel 1986, S. 447).

In der westlichen Welt bedeutet Sicherheit aber nicht, ohne jegliches Risiko zu leben, sondern eher, dass Risiken durchshaubar und kalkulierbar gemacht werden. Von dieser Auffassung unterscheidet sich die der oestlichen Welt. So lautet die Uebersetzung des Russischen Wortes “besnopasnost“: “Zustand ohne Gefaehrlichkeit, Zustand ohne Gefahr oder Angst“. Das bedeutet fuer das russische Verstaendnis von Sicherheitspolitik, dass bereits das Entstehen gefahrvoller Situationen (aus innen- und aussenpolitischer Sicht, besonders aber aus sicherheitspolitischer Sicht) vermieden werden muss.

Im objectiven Sinn wird Sicherheit als das Nichtvorhandensein von Gefahr verstanden; im subjektiven Sinn bedeutet Sicherheit die Abwesenheit von der Furcht vor Bedrohungen (Dieter S. Lutz, 1987, S. 289).

Allgemein wird beim Begriff der Sicherheit zwischen innerer und aeusserer Sicherheit unterschieden. Dabei betrifft innere Sicherheit die Gefahren, die von innen auf eine Gesselschaft oder einen Staat einwirken. Aeussere Sicherheit bezieht sich auf den Schutz eines Staates vor aeusserer Beherrschung oder Existenzgefaehrdung, zum Beispiel durch militaerische Gewalt, Druck, Drohung, Erpressung oder Boykott und Embargo (Dieter Dettke, 1993, S. 293/94).

Unter dem Aspekt der aeusseren Sicherheit unterscheidet man vor allem drei Varianten:

  1. Nationale Sicherheit
  2. Kollektive Sicherheit und
  3. Internationale

 

  1. Nationale Sicherheit

Nach Dieter Dettke wird nationale Sicherheit als “die Faehigkeit einer Nation, ihre inneren Werte vor aeusserer Bedrohung zu schuetzen“ definiert (Dieter Dettke, 1993, S. 294). Der Begriff der nationalen Sicherheit war vor allem kennzeichnend fuer die Epoche der Franzoesischen Revolution von 1789, in der Sicherheitspolitik vor allem als Domaene von Nationalstaaten angesehen wurde mit dem Ziel, die eigenen Gesellschaften zu erhalten; (Wichard Woyke, 1986, S. 448). Bis zur juengsten Vergangenheit galt nationale Sicherheit als Ausdruck nationaler Souveraenitaet und Unabhaengigkeit. Diese nationale Sicherheit konnte zum Beispiel auch mit Hilfe von Kriegsallianzen herbeigefuehrt werden. Dabei bedeutete diese Sicherheit gleichzeitig immer auch Unsicherheit fuer potentielle Gegner. Die Summe der nationalen Unsicherheiten fuehrte so zu wachsender internationaler Unsicherheit aufgrund allgemeinen Wettruestens.

  1. Kollektive Sicherheit

Das Prinzip der Kollektiven Sicherheit bezeichnet nach Dettke ein Verfahren, “in dem die Verletzung des Gewaltverbotes durch einen Staat alle uebrigen Staaten zu gemeinsamer Aktion gegen den Angreifer zusammenfuehrt. Jeder Staat ist in einem kollektiven Sicherheitssystem berechtigt und verpflichtet, seine Machtmittel gegen den Rechtsbrecher einzusetzen“ (Dieter Dettke, 1993, S. 294).

Lutz unterscheidet neben kollektiver Sicherheit auch die Konzeption Gemeinsamer Sicherheit; (Dieter S. Lutz, 1987, S. 165). Beide Modelle unterscheiden sich dadurch, dass Gemeinsame Sicherheit die bewaeltigung der Bedrohung des Friedens in Friedenszeiten anstrebt, waehrend Kollektive Sicherheit auch die Friedenserhaltung oder –wiederherstellung im Konflikt- oder Kriegsfall als gemeinsames Problem einschliesst. Das System der Kollektiven Sicherheit richtet sich nicht gegen bestimmte potentielle Angreifer, sondern verpflichtet

 

auch die Mitglieder des kollektiven Sicherheitssystem zur Friedenssicherung untereinander.

Gemeinsam und ungeachtet politischer Gegensaetze geht es beim Systen der Kollektiven Sicherheit darum, Kriege als Mittel der Politik zu verhindern bzw. notfalls aktiv durch kollektive Sanktionen zu beenden. Das schliesst in letzter konsequenz auch Krieg zur Wiederherstellung des friedens ein. Das Konzept Kollektiver Sicherheit strebt Sicherheit durch Stabilitaet an. Diese Stabilitaet soll nach Lutz vor allem durch die starke Ueberlegenheit der friedliebenden Mitglieder dieses Sicherheitssystems erreicht werden; (Dieter S. Lutz, 1987, S. 166).

Als eine Moeglichkeit zur Umsetzung eines universalen Systems Kollektiver Sicherheit sieht Lutz regionale Systeme Kollektiver Sicherheit. Seiner Meinung nach lassen sich Probleme Kollektiver Sicherheit im kleineren Rahmen leichter loesen, da sie so besser zu ueberblicken und politisch zu handhaben sind; (Dieter S. Lutz, 1987, S. 168).

Auch Helga Haftendorn spricht von “Paradigma regionaler Sicherheit“. “In einem regionalen Sicherheitssystem dient“ ihrer Definition nach “ein Teil der beobachtbaren Interaktionen der Gewaehrleistung der Sicherheit seiner Mitglieder“. Und ein solches System “erfordert wiederkehrende Muster funktionaler Interaktionen von einer bestimmten Dichte“; (Helga Haftendorn, 1993, S. 28). Als Beispiel nennt Hafendorn unter anderem die Nahost Region mit Israel und den arabischen Staaten als Mittelpunkt oder den indischen Subkontinent. Nach Haftendorns definition muessen die Akteure eines regionalen Sicherheitssystems Nationen oder Staaten sein (wenn man dieses System als internationales System begreift).

Da die meisten Regionen nicht autonom sind, gehen ihre Mitglieder haeufig Verbindungen mit aeusseren Maechten ein, was zur Verschiebung der Machtpotentiale innerhalb der Region fuehrt. Dabei kann die Einflussnahme konkurrierender

 

auslaendischer Maechte zum einen regionale Konflikte ausloesen (z.B. Vietnam-Krieg), zum anderen aber auch Spannungen innerhalb einer Region unter Kontrolle halten (z.B. Sowjetunion, Jugoslawien).

Haftendorn sieht das Konzept der regionalen Sicherheit als Bruecke vom Paradigma der nationalen zum Paradigma der internationalen Sicherheit und somit als Hoffnungstraeger fuer die Entwicklung eines Netzes von Regionen kooperativer internationaler Sicherheit.

  1. Internationale Sicherheit

Dieser Begriff beinhaltet alle zwischenstaatlichen Bestrebungen, die auf die Erhaltung der aeusseren Sicherheit der Mitglieder der internationalen Gemeinschaft gerichtet sind. Dazu dienen Buendnispolitik, Militaerbundnisse und internationale Organisationen.

Zur Herbeifuehrung bzw. Verbesserung der internationalen Sicherheit unterscheidet man folgende drei Loesungsansaetze: Machtabbau, Machtkontrolle und Machtgleichgewicht; (Dieter Dettke, 1993, S. 294).

Das Konzept der internationalen Sicherheit geht davon aus, dass alle Beteiligten daran interessiert sind zu ueberleben. Das galt insbesondere unter den Bedingungen der nuklearen Abschreckung waehrend des Kalten Krieges, die einen Gegner im eigenen Interesse von einem Angriff zurueckhalten sollte. Die Sicherheit eines Staates ist nach dem Konzept der internationalen Sicherheit eng mit der Sicherheit eines bzw. mehrerer anderer Staaten verbunden. Die Sicherheit eines Staates wird in hohem Masse vom Handeln des/der anderen beeinflusst und umgekehrt. Das heisst, die Staaten sind was die Sicherheit betrifft von einander abhaengig.

Helga Haftendorn spricht in ihrem Aufsatz “Die Sicherheitspuzzle: Die Suche nach einem tragfaehigen Konzept Internationaler Sicherheit zusaetzlich von einem weiteren

 

Konzept aeussere Sicherheit, naemlich von Globaler Sicherheit;

(Helga Haftendorn, 1993, S. 32-35).

Dieses Konzept sieht Haftendorn als Weiterentwicklung und Alternative zum Paradigma der internationalen Sicherheit an. Das Modell der Globalen Sicherheit geht von einem Programm der gemeinsamen Sicherheit fuer die Weltgesellschaft aus. Die gemainsame Sicherheit orientiert sich dabei an der Verantwortung fuer das gemeinsame ueberleben auf der Basis von Abruestung und Ruestungskontrolle. Darueber hinaus soll das gesamte internationale System in ein neues, besseres System umgewandelt werden, in dem Handeln und Verkehr sowie der interkulturelle Ideen- und Erfahrungsaustausch florieren. Die Vereinten Nationen sind dabei in der Lage, Weltfrieden und Sicherheit global zu gewaehrleisten – mit Hilfe von vorbeugender Diplomatie, Friedensschaffung, Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung. Der UN Sicherheitsrat bildet in diesem System die Exekutive, der internationale Gerichtshof die Judikative.

Ein solches Globales Sicherheitssystem setzt starke Institutionen (moeglichst eine Weltregierung) voraus, damit die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Einheiten reguliert und die Regeln und Normen des Systems durchgesetzt werden koennen.

Nach der Auffassung des Autors bedeutet Sicherheit einen Zustand des Geschuetztseins vor allen Wirkungen von Aggression, Bedrohung und Gefahr, und ein Staat, der ueber Sicherheit verfuegt, betrachtet sich als faehig und kompetent, sich durch politische, wirschaftliche und militaerische Mittel vor interner Instabilitaet und externer Aggression zu schuetzen. Typische Massnahmen zur Bewahrung von Sicherheit sind die unterhaltung von technologisch modern ausgeruesteten Streitkraeften, Anwendung von Spionage und Beteiligung an militaerischen, politischen und wirtschaftlichen Buendnissen.

 

Sicherheitspolitik

Sicherheitspolitik hat allgemein die Aufgabe, den Bestand und die Werte einer Gesellschaft zu erhalten. Die Sicherheitspolitik eines Staates hat demnach das Ziel, das Territorium dieses Staates sowie die politischen und sozialen Interessen seiner Buerger vor aeusserer Bedrohung zu schuetzen. Dazu dienen dem Staat militaerische Streitkraefte, der Abschluss von Vertraegen oder Buendnissen und Entspannungs- und Abruestungsmassnahmen; (Wichard Woyke, 1986, S. 447/448).

Bei westlichen Demokratien hat Sicherheitspolitik vor allem das Ziel, die liberal-pluralistische Demokratie aufrechtzuerhalten. Dabei soll verhindert werden, dass ein Gegner versucht, einem oder mehreren westlichen Staaten seinen Willen aufzuzwingen. Sicherheitspolitik hat neben der aussenpolitischen Dimension aber auch innen- und gesellschaftspolitische Komponenten. So muss sie darauf abzielen, die Gesellschaft von der Notwendigkeit des Erhalts der bestehenden Werte zu ueberzeugen.

Die Auffassungen darueber, was an Sicherheits- und Verteidigungsleistungen zu erbringen ist, sind innenpolitischen Veraenderungen unterworfen und koennen nicht automatisch als aussenpolitische Prioritaet vorgegeben werden.

Sicherheitspolitik ist seit den 70er tiefgreifenden Veraenderungen unterworfen. Wurde noch in den 50er und 60er Jahren Sicherheit immer als aeussere bzw. militaerische Sicherheit verstanden, hat Sicherheitspolitik in den letzten zwei Jahrzehnten eine neue, zusaetzliche Dimension erhalten. Der Frieden wird nun nicht mehr nur durch Waffen bedroht, sondern auch durch Entwicklung wie die Bevoelkerungexplosion, Umwelt- und Oekologieprobleme globalen Ausmasses, Rohrstoffe- und Ernegiemangel, Unregierbarkeit von politischen Systemen usw.

Das heisst, Sicherheit wird neben Militaerpolitik auch von anderen Politikfeldern ergaenzt oder ueberlagert. Das Charakteristikum internationaler Sicherheit ist nunmehr globale

 

Interdependenz. Wirtschaftliche Sicherheit hat aufgrund des Strukturwandels in den internationalen Beziehungen, durch den die Industrienationen nicht laenger ueber Rohrstoffmengen und – preise entscheiden koennen, heute einen gleich grossen – wenn nicht sogar groesseren – Stellenwert neben der militaerischen Sicherheit. Und wirtschaftliche Sicherheit kann nur mit einer spezielen wirtschaftlichen Sicherheitspolitik auf nichtmilitaerischer Basis mit einer aktiven Dritte-Welt-Politik erreicht werden; (Wichard Woyke, 1986, S. 450).

 

 

Geschichtlicher Hintergrund der Slowakei

Der versuch, aktuelle politische Probleme, Entwicklungen und Debatten zu verstehen, ist ohne das Wissen ueber die Geschichte eines Landes aeusserst schwierig. Obwohl die Vergangenheit keine genaue Anleitung fuer die Zukunft vermittelt, kann sie uns doch helfen, kulturelle Perspektiven und politische Annahmen von Staatsmaennern eines Landes oder einer Region zu verstehen. Piotr S. Wandycz schreibt dazu:

The year 1989 saw the crumbling of the Soviet bloc and the reemergence of an independent East Central Europe. Yet freedom had a bitter taste and the price that needed to be paid seemed exorbitant (….) Problems of transition in a post communist era, whether economic, social or political proved immense, and Poles, Hungarians, Czechs, and Slovaks have been put to what may be the hardest test in their history. Will they succeed? Will they try to go it alone or give some meaning to the term East Central Europe by practicing regional cooperation? Will they resume their old place or gain a new place in Europe, possibly a united Europe? The future alone will provide the answers, but the past may provide some guidance (Piotr S. Wandycz, London 1992, S. 11).

Die Geschichte der Slowakei ist voll von Kriegen und revolutionen, Invasionen, sozialen und politischen

 

Umwaelzungen, von endlosen Kaempfen gegen Rueckstaendigkeit, Elend und Unterdrueckung. Fuer viele Slowaken lebt auch heute noch die Vergangenheit in der Gegenwart spuerbar weiter. Die Vergangenheit beeinflusst nach wie vor das politische und soziale Verhalten der Buerger in der Slowakei, weil sich viele von ihnen noch immer mit ihrer historischen Vergangenheit identifizieren.

Die Slowakische Republik (Slovenska Republika) mit ihrer Hauptstadt Bratislava (Pressburg) ist mit einer Flaeche von

49.035 km2 und einer Bevoelkerungszahl von 5.3 Millionen Menschen; (Internationales Handbuch, Laender Aktuell, Munzinger-Archiv 1996) das kleinste der vier Visegrad-Laender; (die 4 ostmitteleuropaeischen Laender, naemlich Polen, Tschechische Republik, Slowakische Republik und Ungarn). Nach der friedlichen Aufloesung der CSFR erfolgte am 1. Januar 1993 offiziell die Grundung der Slowakischen Republik.

Mit Ausnahme einer kurzen, gemeinsamen Grenze mit Oesterreich im Westen ist die Slowakische Republik nur von Staaten umgeben, die frueher zur Warschauer Vertragsorganisation (WVO) gehoerten; diese sind die Tschechische Republik im Nordwesten, Polen im Norden, die Ukraine im Osten und Ungarn im Sueden. Durch die Teilung der Tschechoslowakei wurde auch die unmittelbare staatliche Nachbarschaft zur NATO (Deutschland) aufgehoben.

Obwohl die Tschechen und die Slowaken beide Slawische Voelker sind, deren Sprachen einen gemeinsamen Ursprung haben, gibt es doch viele kulturelle unterschiede zwischen den zwei Voelkern, und ein gemeinsamer Tschechoslowakischer Staat war mehr oder weniger ein kuenstliches Gebilde.

Die Tschechen und die Slowaken sind slawische Voelker, die im

  1. Bis 7. Jahrhundert in das Gebiet der heuitigen Tschechischen und der Slowakischen Republik kamen. Zusammen mit anderen slawischen Voelkern bildeten sie eine Konfoederation, die als Grossmaehrisches Reich bekannt war. Diese Konfoederation

 

brach im Jahr 896 unter dem Schock der vernichtenden magyarischen Invasion zusammen. Die Magyaren besetzen die Slowakei, und fuer die naechsten tausend Jahre gingen Tschechen und Slowaken getrente Wege. Die Magyaren waren ein nomadisches Reitervolk von finno-ugrischer Abstammung. Ihre Sprache war fuer die Slawen vollkommen unverstaendlich. Die Magyaren waren ein kampflustiges Volk, das Grossmaehren zerschlug.

Im Jahre 955 besigten die Deutschen und die Boehmen Ungarn. Als Folge davon wurden Boehmen und Maehren in das deutsche Reich eingegliedert, und die Slowakei verblieb als ein Teil des Konigreiches Ungarn. Dies sollte bis zum Jahre 1918 – dem Jahr der Grundung der Tschechoslowakei – so bleiben. Zum Schutz der Nord- und Nordostgrenzen des magyarischen Reiches holten die ungarischen Koenige im 10. Jahrhundert deutsche Missionare ins Land. Der Hauptzustrom deutsche kolonisten erfolgte im 12. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert kam es durch die Einraeummung weitreichender Privilegien zu einer neuen deutschen Einwanderungswelle. Diese Einwanderer sind die Vorfahren der noch heute in der Slowakei lebenden deutschen Minderheit.

In den folgenden Jahrhunderten kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen auf slowakischem Gebiet. Tuerken und Ungarn kaempften immer wieder um die Vorherrschaft in diesem Gebiet, was zu Folge hatte, dass Teile der Slowakei mehrmals fuer laengere Zeit von den Tuerken besetzt waren. Erst Ende des 17. Jahrhunderts mussten sich die Tuerken endgueltig zurueckziehen.

Im 18. Jahrhundert kam es mit dem Aufflammen von antifeudalen Unruhen zu ersten Versuchen der Losloesung Ungarns von den Habsburgern, die jedoch ohne Erfolg blieben. Im Ergebnis der Revolutionsjahre 1848/49 konnte Ungarn selbstaendiger werden. Mit Oesterreich verband Ungarn nur noch die Krone und eine gemeinsame Armee. Die Ungarn wollten jedoch die volle Unabhaengigkeit erringen. Deshalb wurde am

 

  1. April 1849 in Debrecen die Republik Ungarn ausgerufen. Allerdings gelang es dem Habsburger Herrscherhaus, mit Hilfe russischer Truppen nach vier Monaten den Konflikt zu beenden. Die Slowaken kaempften damals unter Fuehrung von L’udovit Stur auf der Seite Wiens. L’udovit Stur war der Anfuhrer der slowakischen Nationalbewegung, die sich ab den 40er Jahren des
  2. Jahrhunderts

Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes waren die Habsburger bemueht, ihre Beziehung zu den Ungarn wiederherzustellen und ueberliessen dabei die Slowaken ihrem Schicksal. Nach der Gruendung der Doppelmonarchie 1867 erlangte Ungarn die uneingeschraenkte Vorherrschaft in den ungarischen Einflussgebieten – also auch in der Slowakei. Die Ungarn nutzten diese Gelegenheit, um eine massive Magyarisierungspolitik auf dem Gebiet der Slowakei durchzusetzen. Das bedeutete eine Verstaerkung der Repressionen gegenueber den Slowaken.

Ein Ungariches Gesetz aus dem Jahre 1868 definierte die Slowaken als einfaches, kleines Volk, das unter der Nation der Magyaren lebt. Dasselbe Gesetz versagte den Slowaken ihre eigene nationale Identitaet. Das bedeutete in der Praxis, dass die slowakische Sprache unterdrueckt wurde und ein unabhaengiges kulturelles Leben stark eingeschraenkt war. Die soziale und oekonomische Dominanz der Ungarn verdammte die Slowaken und verhinderte das Entstehen einer einheimischen slowakishen Beruf- und Wirtschaftselite. Eine Folge dieser Repression war eine grosse Auswanderungswelle um die letzte Jahrhundertwende – vor allem nach Amerika.

In dieser feindlichen Umgebung wurde das Ueberleben der slowakischen Sprache und nationalen Identitaet nur von der Katholischen und Evangelischen Kirche gesichert. Diese Kirchen errichteten Schulen, in denen die slowakische Sprache als Unterrichtssprache gebraucht wurde. Diese lange Leidensgeschichte der Slowaken unter den Ungarn hat eine starke Abneigung der Slowaken gengenueber ihren frueheren

 

Herrschern hinterlassen. Diese Abneigung ist bis heute deutlich spuerbar. Ein grosster Teil der slowakischen nationalen Identitaet ist in der Tat aus Opposition zu Ungarn entstanden. Der slowakische Schriftsteller Vladimir Minac brachte die slowakischen Gefuehle gegenueber den Ungarn folgendermassen zum Ausdruck:

“Should one touch healed wounds? Are the wounds really healed? National antagonism is a tough flower, if we do not talk about it; that does not signify it does not exist. Our relationship to the Hungarians not only moulded our national life but also formed our way of thinking, it formed the soul of the nation”; (Aus J.F. Brown Eastern Europe and Communist Rule, Durham 1998, S. 433).

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 hatten die Slowaken ihre erste echte Gelegenheit, die Unabhaengigkeit von ihren ungarischen Unterdruekern zu erlangen. Die nationalistischen Fuehrer der Slowaken entschieden sich jedoch nicht fuer einen unabhaengigen slowakischen Staat, sondern fuer die Zusammenarbeit mit den benachbarten – ebenfalls slawischen – Tschechen (aus Boehmen und Maehren) im Tschechoslowakischen Nationalrat. Der Tschechoslowakische Nationalrat wurde 1915 in Paris gegrundet.

Mit Unterstuetzung der siegreichen alliierten Maechte fuehrte diese Zusammenarbeit der Tschechen und Slowaken zur Grundung der Tschechoslowakischen Republik (CSR). Die Republik wurde am 28. Oktober 1918 in Prag ausgerufen. Als erster Praesident fungierte T. G. Masaryk. Die Tschechoslowakische Republik war von Grund auf konzipiert als foerderaler Staat mit gleichen Rechten fuer Slowaken und Tschechen. Die Tschechen dominierten jedoch von Anfang an den neuen Staat. Die Abneigung dagegen und die schmerzlich empfundene Herablassung der Tschechen stauten sich in den Jahren zwischen den Weltkriegen bei den Slowaken ein.

 

1935 wurde der Tscheche Edvard Benes neuer Staatspraesident der Tschekoslowakei. Wie seiner Vorgaenger konnte aber auch Benes den Interessen der Slowaken nach mehr Teilautonomie sowie den Forderungen der ungarischen und deutschen Minderheiten nicht gerecht werden. Vor allem die Angehoerigen der deutschen Minderheit sahen ihre Rechte zunehmend in Frage gestellt und unterstuetzten Hitler deutschland. Mit dem Muenchener Abkommen vom 29. September 1938 trat die tschechoslowakische Regierung die sudetendeutschen Gebiete an Deutschland ab und verlor am politischem Spielraum. Infolge dessen erklaerte die Slowakei am 6. Oktober 1938 ihre Autonomie innerhalb der CSR und stellte eine eigene Landesregierung auf. Zum Praesidenten der slowakischen Landesregierung wurde Jozef Tiso gewaehlt.

Allerdings stellten auch die Ungarn und die Polen Gebietsansprueche an der Slowakei. Mit dem Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938 wurden diese Ansprueche zum groessten Teil befriedigt: 10.500 km2 der Suedslowakei fielen an Ungarn. Das Auseinanderbrechen der Tschechoslowakei wurde auch durch die Unfaehigkeit der Zentralregierung in Prag beschleunigt. Die Regierung war naemlich nicht in der Lage, der Slowakei einen grechten Finanzausgleich einzuraeumen. Diese Probleme sowie die slowakische Abneigung gegeueber den Tschechen wurden von Hitler geschickt ausgenutzt.

Im Maerz 1939 stellte er die Slowakei vor der Wahl: “Unabhaengigkeit“ (im deutschen Sinne) order Preisgabe an ungarische Expansionsgelueste. Am 14. Maerz 1939 entschieden sich die Abgeordneten des slowakischen Landtages fuer die Selbststaendigkeit des Landes. Am 17/18. Maerz 1939 wurde von slowakischen und deutschen Vertretern der sogennante “Schutzvertrag“ unterzeichnet.

Der neuer “unabhaengige“ Staat war kaum mehr als ein deutsches Anhaengsel mit einer reaktionaeren, autoritaeren und pro-nazistischen Regierung unter dem Staatspraesidenten Jozef Tiso. Seine Regierung setzte die Anti-Juden-Gesetze durch. Im

 

August 1944 feierte er die blutige Niederschlagung des slowakishen Aufstandes mit einer Dankmesse bei Banska Bystrica. Am 18. April 1947 wurde Jozef Tiso als Kriegsverbrecher gehaengt. Fuer einige slowakische Nationalisten gilt er jedoch weiterhin als ein slowakischer Maertyrer. (Siehe auch Owen Chadwick, London 1933, S. 61/62).

Die Verfassung vom 21. Juli 1939 legte einen Ein-Parteien-Staat fest, der auf wirtschaftliche Ziele ausgerichtet war und dessen Industrie zum groessten Teil unter deutscher Kontrolle stand. Die slowakischen Truppen kaempften im Zweiten Weltkrieg an der Seite Deutschlands gegen Polen und Russland. Ab 1942 wurden fast deriviertel der slowakischen Juden unter Tisos Regierung in deutsche Vernichtungslager deportiert.

Im Jahre 1943 begann sich in der Slowakei die Wiederstandsbewegung gegen das Tiso-Regime und gegen Nazideutschland zu formieren. Vorangetriben wurde die Entwicklung der Wiederstandsbewegung durch die Grundung des Slowakischen Nationalrates SNR Ende 1943. In diesem Nationalrat wurden die militaerischen Strategien fuer einen bewaffneten Volksaufstand ausgearbeitet. Am 29. August 1944 begannen dann die Kampfhandlungen des Slowakischen Nationalaufstandes (Slowakischer Nationalrat: ‘‘Slovenske narodne povstanie“, Abkuerzung: SNP).

Deutsche Truppen waren nach zahlreichen vorausgegangenen Partisanenaktionen in der Slowakei einmarschiert; u. a. die Ermordung mehrerer Deutscher, Ueberfaelle auf strategisch wichtige Bahnverbindungen sowie die Eroberung der Staedte Ruzomberok und Liptovsky Mikulas provozierten den Einmarsch der Deutschen. Begruesst wurde der Einmarsch der Deutschen Offiziell von Tiso. Da die Deutschen eine Verbruederung der slowakischen Armee mit den Aufstaendischen fuerchteten, gab Tiso sein Einverstaendnis zur Entwaffnung der slowakischen Armee. Den deutschen Truppen gelangen zu Beginn des Aufstandes grosse Erfolge gegen die Aufstaendischen. Deshalb war sich die Deutsche Fuehrung sicher, den Aufstand sehr bald

 

niederschlagen zu koennen. Anfang September 1944 mussten die Deutschen jedoch erkennen, dass sie das wahre Ausmass des Aufstandes unterschaetzt hatten. Adolf Hitler reagierte darauf mit der Entsendung eines neuen Befehlshabers in die Slowakei.

Sowjetische und tschechoslowakische Einheiten versuchten vom Karpatenraum her den slowakischen   Aufstaendischen zu Hilfe zu kommen, wurden aber von den uebermaechtigen deutschen Verbaenden lange Zeit aufgehalten. So begannen Mitte Oktober 1944 die entscheidenden Kaempfe zwischen den Aufstaendischen und den deutschen Einheiten. Ende Oktober war der groesste teil des Aufstandsgebietes unter deutscher Kontrolle. Etwa 7.000 Slowaken fielen im Kampf gegen die Deutschen; knapp 15.000 gerieten in deutsche Gefangenschaft. Zum Jahreswechsel 1944/45 gelang der Roten Armee der Durchbruch am Duklapass (in den Karpaten), und am 8. Mai 1945 kapitulierte die slowakische Fuehrung.

Mit der Befreiung durch die Rote Armee und dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Staat Tschechoslowakei wieder zur Realitaet. Aus strategischen Gruenden annektierte die Sowjetunion nach Kriegsende die Karpato-Ukraine, die bis dahin zur Tschechoslowakei gehoert hatte.

In Mai 1946 fand die erste Nachkriegswahl in der Tschechoslowakei statt. Die Demokratische Partei erhielt dabei in der Slowakei 62,5% der Stimmen, die Kommunisten erhielten nur 30%. In der gesamten Tschechoslowakei erreichten die Kommunisten 40% der Stimmen. Im Juni 1946 wurde Edvard Benes von der Verfassungsgebenden Nationalversammlung als Staatspraesident der CSR bestaetigt. Klement Gottwald wurde neuer Ministerpraesident. Er erwies sich als treuer Gefolgsmann der Sowjetunion und betrieb eine prosowjetische Politik. Im Februar 1948 kam es zu einer von Gottwald inszenierten Regierungskrise, in deren Folge Edvard Benes zuruecktrat. Das Amt von Benes uebernahm Gottwald. Damit war der Weg fuer die moeglischst breite Ausschaltung der buergerlichen Parteien geebnet. In der 50er Jahren stand die Tschechoslowakei unter

 

dem Einfluss des Stalinismus, der Abrechnung mit buergerlichen Nationalisten, der Gleichschaltung aller politischen Parteien sowie dem Aufbau des Sozialistischen Staates nach dem Vorbild der Sowjetunion. Das bedeutete die Verstaatlichung aller Grossbetriebe, die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Einfuehrung der Planwirtschaft.

Am 11. Juli 1960 wurde die Tschechoslowakische Republik per Dekret in Tschechoslowakische Sozialistische Republik (CSSR) umbennant. Die slowakische Identitaet ging allerdings in der neuen Sozialistischen Republik voellig verloren. Die von den Slowaken wahrgenommene Bevormundung durch die tschechisch dominierte Fuehrung in Prag verschaffte den slowakischen Nationalisten bereits in den 60er Jahren einen grossen Zulauf. Ausserdem erhoehte sich der Druck auf die Umwandlung der CSSR in eine Foederation mit groesseren autonomen Rechten und mehr politischem Spielraum fuer Tschechen und Slowaken. Auch innerhalb der Kommunistischen Partei (KPC) mehrte sich die Kritik an der bestehenden Staatspolitik.

Am 5. Juni 1968 konnte der slowakische Reformer Alexander Dubcek die Machtkaempfe innerhalb der KPC zu sienen Gunsten entscheiden; er wurde zum Ersten Sekretaer des ZK der KPC gewaehlt. Der als “Prager Fruehling“ weltweit bekanntgewordene Versuch, den Sozialismus zu reformieren und menschlicher zu machen, scheiterte kurze Zeit spaeter: am 20./21. August 1968 kam es zur militaerischen Besetzung der CSSR durch Truppenverbaende aud fuenf Warschauer-Pakt-Staaten. Die kurze Epoche einer politischen Liberalisierung wurde so schlagartig beendet. Am 1. Januar 1969 wurde die CSSR zum Bundesstaat mit einer foerderalen Verfassung erklaert. Die Tschechische Sozialistische Republik und die Slowakische Sozialistische Republik wuden formell zu gleichberechtigten Staaten erklaert. Darueber hinaus gab es ernsthafte Bemuehungen, die Slowakei zu industrialisieren.

 

Am 17. April 1969 wurde Alexander Dubcek aller Parteifunktionen enthoben. Gustav Husak wurde neuer KPC- Chef und stablisierte in der Folgezeit das kommunistische System.

1977 wurde durch couragierte Buergerrechtler (u. a. Vaclav Havel) die Charta 77 gegruendet. Die Hauptforderung dieser Bewegung war die Respektierung der KSZE-Schlussakte von Helsinki durch die CSSR-Regierung. Bis 1986 schlossen sich

1.200 Personen der Charta 77 an, obwohl deren Anhaenger staendig politischen Repressalien ausgesetzt waren.

Durch die sowjetische Reformpolitik unter Gorbatschow wurden die Buergerrechtler der Charta 77 ermutigt und verstaerkten ihre Aktivitaeten. Angesichts der Massenproteste in der DDR im Herbst 1989 gingen auch die Menschen in der CSSR auf die Strasse, um ihrem Unmut ueber die Regierungspolitik Ausdruck zu verleihen. Am 20. November 1989 schlossen sich die Opposition im slowakischen VPN (Offentlichkeit gegen Gewalt) und dem tschechischen OF (Buergerforum) zusammen. Die bekanntesten Vertreter waren Vaclav Havel, Alexander Dubcek und Milan Knazko.

Am 10. Dezember 1989 trat die kommunistische regierung zurueck. Am 29. Dezember 1989 wurde Vaclav Havel vom Prager Parlament einstimmig zum neuen Staatspraesidenten der Tschechoslowakei gewaehlt. Der Slowake Alexander Dubcek wurde Parlamentspraesident. Das Land hiess von nun an Tschechoslowakische Foederative Republik (CSFR). Bei den ersten freien Wahlen am 5. Juni 1990 wurde Praesident Havel in seinem Amt bestaetigt.

Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft 1989 wurde mit der Gruendung der Tschechoslowakischen Foederativen Republik noch einmal versucht, das Zusammenleben von Tschechen und Slowaken neu zu ordnen. Aber nicht zuletzt durch die bitteren Erfahrungen aus der Vergangenheit war dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt.

 

Bereits 1991 kam es zu wachsenden Protesten der Slowaken gegen die aus ihrer Sicht anhaltende zentralisierte Bevormundung durch tschechische Regiereungsvertreter. Dadurch entstand ein stetig wachsender Druck auf eine groessere Selbstaendigkeit der Slowakei. 1992 stellten die Nationalisten dann bereits offene Forderungen nach staatlicher Unabhaengigkeit. Zunaechst sah es fuer einige Monate so aus, als konne es noch eine Einigung zwischen Tschechen und Slowaken mit Blick auf eine Fortsetzung der Foederation geben. Mit dem Wahlsieg des Populisten Vladimir Meciar bei den Parlamentswahlen in der Slowakei im Juni 1992 und der wenige Tage spaeter gescheiterten Wiederwahl Vaclav Havels zeichnete sich jedoch ab, dass eine Teilung unvermeidlich sien wuerde. Die Wiederwahl war gescheitert, weil die Mehrheit der slowakischen Abgeordneten Praesident Havel ihre Stimme versagt hatte.

Nach den Parlamentswahlen im Juni/Juli 1992 in beiden Republiken beschlossen der Slowakische und der Tschechische Nationalrat jewiels die Erarbeitung separater Verfassungen fuer beide Republiken. Einige Tage spaeter – am 17. Juli 1992 – proklamierte der Slowakische Nationalrat mit grosser Mehrheit die Souveraenitaet der Slowakischen Nation und das Ziel der Bildung eines unabhaengigen Staates. Am 27. August 1992 verkuenden die beiden Premierminister Meciar und Klaus, dass die CSFR zum 1. Januar 1993 aufgeloest wird. Nach Bekanntgabe dieser Entscheidung legte Vaclav Havel sein Amt als Praesident nieder. Somit war das Ende der Foederation besiegelt.

Beide Nationen gingen von nun an eigene Wege: die tschechische Fuehrung orientierte sich vor allem am Westen und setzte bei der wirtschaftlichen Umgestaltung besonders auf den internationalen Kapitalmarkt. Die slowakischen Nationalisten hingegen orientierten sich staerker an den traditionellen Bindungen nach Osten sowie auf die Konsolidiereung der politischen Macht im neugegruendeten Staatswesen.

Related posts

Die Slowakei und ihre Beziehungen zur Russischen Foederation besonders die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Dimension dieser Beziehungen von der Staatsgrundung

Die bilateralen Beziehungen der Slowakei und die Probleme der Slowakischen Republik zu ihren Nachbarstaaten seit ihrer Staatsgrundung

Die Ost oder West geopolitische Lage der Slowakei