Die Slowakei und ihre Beziehungen zur Russischen Foederation besonders die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Dimension dieser Beziehungen von der Staatsgrundung

von

 Ezeh Chinonso Kennedy

B.Sc., M.Sc., Ph.D.

 

Die slowakischen Beziehungen zur Russischen Foederation sind die staerksten der Visegrad-Laender – nicht auf wirtschaftlichen Gebiet, sondern auch in der Politik. Nach der Entstehung der Slowakischen Republik gewannen deren Beziehungen zur Russischen Foederation eine Dimension, die sowohl die Beziehungen zu den tschechischen Nachbarn als auch zum Westen grundsaetzlich beeinflusste.

In ihrer Regierungserklaerung aus dem Jahre 1995 hat die slowakische Regierung die Orientierung ihrer Aussenpolitik auf die wirtschaftliche, polische – besonders die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit den westlichen Laendern festgelegt. Daraus laesst sich schlussfolgern, dass sich die Zusammenarbeit der Slowakei mit der Russischen Foederation ausschliesslich auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit (die fuer die Slowakei zweifellos lebenswichtig ist) beschraenkt.

Nach dem Antritt der dritten Regierung Meciar festigte die slowakische Assenpolitik jedoch auch die politischen und sicherheitspolitischen Bindungen an Russland, die bereits von

 

den beiden vorausgegangenen Regierungen Meciar in die Wege geleitet worden waren. Die Beziehungen zu Russland haben einscheinend fuer einen Teil der politischen Elite der Slowakei eine grosse Bedeutung. Ihnen dient Russland als dauerhafte Garantie gegen eine eventuelle ablehnende Haltung des Westen gegenueber der Slowakei. Alle anderen ostmitteleuropaeischen Staaten befinden sich zwar in einer aehnlichen Situation wie die Slowakei, aber trotzdem sind deren Beziehungen zu Russland ganz anders gestaltet: obwohl Russland fuer diese Staaten auch von grosser wirtschaftlicher Bedeutung ist, liess sich ihre Diplomatie nicht zu politischen oder sogar sicherheitspolitischen Zugestaendnissen zwingen.

Im Vergleich zu den anderen Visegrad-Laendern unterscheidet sich die Russland-Politik der Slowakei durch folgende Merkmale:

  1. Die Beziehungen zwischen der Slowakei und Russland sind in ihrer Bedeutung international nicht Es handelt sich dabei hinsichtlich der politischen Annaeherung um ein asymmetrischens Verhaeltnis. Wirtschaftlich gesehen is die Slowakei fuer Russland bedeutungslos, da der slowakische Markt und der Handelsaustausch mit der Slowakei fuer Russland im Prinzip keine Rolle spielen. Fuer die Slowakei sind jedoch die wirstschaftlichen Beziehungen zur Russischen Foederation lebenswichtig: die Slowakei ist von russischen Rohstofflieferungen, vor allem Erdoel und Erdgas, abhaengig. Ausserdem bietet Russland fuer die slowakischen Wirtschaftlobbies unbegrenzte Moeglichkeiten fuer wirtschaftliche Selbstverwirklichung.

 

Auch in ihrer sicherheitspolitischen Bedeutung zeigt sich die Assymmetrie der beiden Staaten: Die Slowakei kann fuer Russland in keinerweise eine militaerische Bedrohung darstellen. Umgekehrt kann sich die Slowakei jedoch von Russland militaerisch bedroht fuhlen, da die Russische Foederation ueber ein gewaltiges militaerisches Potential verfuegt und bekanntermassen eine imperialistische und expansionistische Tradition hat.

 

 

  1. Damit besteht zwischen der Slowakei und Russland eindeutig eine Disproportionalitaet der Ausgangspositionen. Die wirtschaftlichen Beziehungen der Slowakei zu Russland sind zwar – wie oben erwaehnt – notwendig; fur den sicherheitspolitischen Bereich gilt die Notwendigkeit der slowakisch-rissischen Beziehungen jedoch Das russische Interesse an der Slowakei laesst sich nur dadurch erklaeren, dass die Slowakei fuer Russland von politischer Bedeutung ist. Aufgrund der Tatsache, dass die anderen postkommunistische Laender in Ostmitteleuropa der russischen Aussen- und Sicherheitspolitik ablehnend gegenueberstehen, ergibt sich aus dem entgegenkommenden Verhalten der Slowakei gegenueber Russland eine Moeglichkeit fuer die Russische Foederation, die Slowakische Republik als „Trojanisches Pferd“ in Ostmitteleuropa zu benutzen. Die russische Seite versucht nicht einmal, ihre Plaene mit der Slowakei zu verbergen:

„Sie haben ihre Interessen in Russland und wir wiederum in Ostmitteleuropa“; (In: Pravda, 13. 01. 1995).

 

  1. Die Slowakisch Republik kann aufgrund verschiedner Faktoren als Vermittler russischer Interessen in Ostmitteleuropa Dazu gehoeren einmal die prorussische Tradition des historischen Denkens in der Slowakei, zum anderen die Aehnlichkeit der halbautoritaeren innenpolitischen Entwicklung in Russland und der Slowakei. Die wichtigste Rolle spielt bei der moeglichen Vermittlerfunktion der Slowakei jedoch ihre Stellung innerhalb der Visagrad-Gruppe:

 

 

  1. Als kleinstes Land der Visegrad-Gruppe kann die Slowakei ihre Beziehungen zur Russischen Foederation weniger auffaellig
  2. Die Slowakei nimmt in der Visegrad-Gruppe eine besondere geopolitische Position ein: sie grenzt als einziges Mitglied an

 

alle anderen Visegrad-staaten und trennt geographisch Polen und Ungarn.

Damit betreffen die slowakisch-russischen Beziehungen alle anderen ostmitteleuropaeischen Laender und zusaetzlich die Ukraine, die sich durch die engen sicherheitspolitischen Beziehungen zwishen Russland und der Slowakei praktisch eingekreist fuhlen kann. In der russischen Slowakei-Politik ist der ukrainsche Faktor offensichtlich einkalkuliert.

 

  1. In der Slowakei werden die Beziehungen zu Russland – im Gegensatz zu den anderen Visegrad-Staaten – ganz offen als eine Alternative zur Integration in EU und NATO genannt. Seit viele Jahren gib es in der Slowakei eine breitangelegte Kampagne fuer „slawische Gemeinschaft“, die in anderen slawischen Visegrad-Staaten ohne Parallele Diese Kampagne ist nicht nur eine Gesellschaftliche Randerscheinung, sondern wird sogar direkt von der Regierungsnahe Presse unterstutzt. Man spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer Konfoederation der slawischen Staaten mit folgenden Vorzuegen:
    1. Sprachliche Naehe;
    2. Der nicht gesaettigte russische Markt im Gegensatz zum uebersaettigten westlichen Markt;
    3. Grosse Vorraete an Rohstoffen im Osten;
    4. Eine Bevoelkerungszahl, die ausreicht, um wirtschaftliche Expansion zu realisieren;
    5. Gewaltige Moeglichkeiten der „slawischen“, insbesondere der russischen Wissenschaft, die angeblich hinter vielen Erfolgen der westlichen Wissenschaft steht;
    6. Die Tatsache, dass sich alle slawischen Laender auf ungefaehr dem gleichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand befinden; (V. Stollmann, Slawen, die Zeit der grossen Taten steht bevor, in Zmence, 2, 1995).

 

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Slowakei und Russland

Mit dem Zusammenbruch des RGW-Marktes ging in der Tschechoslowakei eine Reform des Wirtschaftssystem einher, die vor allem der slowakischen Wirtschaft grosse Opfer abverlangte. Das Resultat dieser Wirtschaftsreform war zunaechst ein drastischer Ruckgang des Bruttoinlandsproduktes, sowie ein Anstieg von Arbeitslosigkeit und Inflation.

Die slowakische Wirtschaft wurde von diesem wirtschaftlichen Transformationssprozess in staerkerem Masse in Mitleidenschaft gezogen als die tschechische Wirtschaft. Der Grund dafuer lag in den ungunstigen Ausgangsposition der Slowakei. Innerhalb der Wirtschaftsstruktur des Landes uberwogen klar die folgenden Industriezweige:

  • Industrieproduktion von Halbfertigprodukten;
  • Schwerindustrie, insbesondere Rustungsindustrie
  • Foerderung von Kohle niedriger

Aber auch auf diese Industriezweige wirkte sich die Teilung der Tschechoslowakei negativ aus: bereits 1993 sank der slowakische Export um 5.4 Prozent, waehrend der Import um 24.3 Prozent stieg; (Siehe in: Pavel Ondrcka, Die Slowakei, Gutersloh, 1995, S. 106).

Durch diese Entwicklung zeigt sich sehr deutlich, dass die Slowakei wirtschaftlich nicht auf die Trennung vorbereitet war und dass die zwei wichtigsten Industriezweige (Produktion von Halbfertigprodukten und Schwer-/Rustungsindustrie) ueberwiegend von den wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland abhaengig waren.

Schon zu Zeiten der Foederation sorgten die eigenmaechtigen wirtschaftlichen Initiativen der Slowakei auf dem russischen Markt fuer Differenzen mit Prag. Die vermutete politische Dimension der slowakisch-russischen Kontakte bildete dann Ende 1992 auch einen der Hauptgrunde fuer das Bestehen der

 

tschechischen Seite auf einer sofortigen Trennung der Foederation. Zu aktiven Wirtschaftskontakten mit Russland wurden alle slowakischen Regierungen vor allem durch die Waffenexportlobby gedraengt. Die slowakische Rustungsindustrie gehoerte (im Rahmen der Tschechoslowakei) zu den groessten der Welt.

In der Slowakei waren 60 Prozent der gesamten Waffenproduktion des Landes konzentriert. Der slowakische Landesteil der Tschechoslowakei produzierte schwere Waffen, insbesondere Panzer. Der ueberwiegende Teil der Produktion (50-

60 Prozent) ging in die UdSSR. Damit war die slowakische Rustungsindustrie zum groessten Teil vom sowjetischen bzw. russischen Markt abhaengig. Zu Beginn der 90er Jahre war fast jeder zehnte Arbeitnehmer direkt oder indirekt an der Rustungsproduktion beteiligt; (Siehe Ladislav Ivanek in: Perspectives (Prag), Nr. 3, 1996).

Durch die Befestigung der Zusammenarbeit zwischen der Slowakei und Russland in der Rustungsindustrie Mitte der 90er Jahre bekommen die bilateralen Beziehungen eine politische Dimension. Angaben von Ministerpraesident Meciar zufolgte waren noch 1993 insgesamt 30-40 Prozent der slowakischen Wirtschaft auf die Maerkte der ehemaligen UdSSR, das heisst praktisch Russland, orientiert; (In: Narodna obroda, 31. 03. 1993).

Die sehr aktiven wirtschaftlichen Kontakte mit Russland werden offiziell immer damit verteidigt, dass die Arbeitslosigkeit sonst steigen wurde und die wirtschaftliche Entwicklung zuruckgeht. Im Gegensatz zu der anderen Visagrad-Staaten sieht die Slowakei in der Orientierung auf die russische Wirtschaft unverhullt eine Alternative zur wirtschaftlichen Integration in die EU.

Der Unterschied dem wirtschaftlichen Pragmatismus in den Beziehungen zu Russland, der von allen postkommunistischen Staaten gepflegt wird, und dem Regierungspragmatismus, der die Risiken enger politischer Verpflichtungen beinhaltet, ist im

 

Interesse der Slowakei an russischen Rohstoffen begrundet. Zu Beginn der Unabhaengigkeit der Slowakei war die wirtschaftliche Abhaengigkeit von Russland geradezu erdruckend:

  1. Die Slowakei wurde von Russland mit Kernbrennstoffen beliefert und war bei der Beseitigung atomarer Abfaelle teilweise von Russland abhaengig;

 

  1. Die Abhaengigkeit von russischem Erdoel ist ernorm: dieser Rohstoff macht ungefaehr 80 Prozent der slowakischen Oelimporte aus;

 

 

  1. Die Abhaengigkeit von russischen Erdgas ist absolut: der Import kommt zu 100 Prozent aus Russland; (Siehe in: Pravda, 03. 1993, S. 13).

Ihre politische Dimension erhaelt die Abhaengigkeit von Russland aber erst durch die Tatsache, dass sich die Slowakei (anders als zum Beispiel die Tschechische Republik) bis jetzt nicht bemuht hat, diese Abhangigkeit zu verringern. Die wirtschaftlichen Bindungen an Russland sind im Gegenteil enger geworden, und die Slowakei sieht das sogar als einen positiven Faktor, um den sie die Nachbarn beneiden koennen.

In den Beziehungen zu Russland strebte die Slowakei offen einen

„besonderen Status“ unter ihren Nachbarn an; (Siehe Y. Akino/A. Smith Albion, Russia – Ukraine – the Visagrad Four: The Kozyrev Doctrine in Action, Institute for East West Studies, Prag, 1993, S. 11).

Die russische Seite lehnt diese Bemuehungen der Slowakei natuerlich nicht ab. Das seit 1993 gezeigte russische Entgegenkommen fuer die wirtschaftliche Bedurfnisse ist jedoch stark politisch motiviert. Auf dem Gebiet der staatlich gelenkten Wirtschaftsbereiche hat die Slowakei eine besondere Zusammenarbeit mit der russischen Wirtschaft bisher in zwei Projekten verwirklicht:

 

im sogenannten Surgat-Abkommen und im sogenannten Slovrusgas-Projekt. Das Surgat-Projekt ist ein bedeutendes Projekt in den slowakisch-russischen Beziehungen. Das Abkommen wurde von der slowakischen Seite in Maerz 1993 in der ostsibirischen Stadt Surgutsk unterzeichnet; (Siehe in: Pravda, 26. 03. 1993).

Die Slowakei erhofft sich davon, dass ihre Wirtschaft durch die vorteilhafte Kooperation mit Russland am Leben gehalten wird. Die Slowakische Republik nimmt als einziges Land, das nicht aus der UdSSR hervorgegangen ist, als Beobachter mit Aussicht auf volle Mitgliedschaft am Surgut-Projekt teil. Es handelt sich hierbei um ein Abkommen zur Schaffung einer industriellen Unterorganisation der GUS, die sich auf die Foerderung und Verarbeitung von russischem Erdoel und Erdgas konzentriert.

Teilnehmer des Projektes sind alle ehemaligen Sowjetrepubliken. Die russische Seite erhofft sich aus dem Projekt Investitionen in ihre Erdoelindustrie und die anderen Teilnehmer sind an Garatien fuer Erdoellieferungen interessiert. Surgut soll eine Art von OPEC Osteuropas werden; (Siehe in: Narodna obroda, 31. 08. 1993).

Die slowakische Regierung erhoffte sich von der Unterschrift unter das Abkommen und der erwarteten baldigen Vollmitgliedschaft in dem Projekt folgende zwei Vorteile, die von der russischen Seite auch zugesagt wurden:

  1. Kontinuierliche Lieferungen russischen Erdoel zu Preisen weit unter dem Weltmarktniveau.

Die Slowakei ist zwar noch kein Vollmitglied des Surgut- Abkommens, hat jedoch in Erwartung der Vollmitgliedschaft inzwischen mehrere nichtwirtschaftliche bilaterale Vertraege abgeschlossen, die fuer die russische Seite vorteilhaft sind.

 

  1. Verlaengerung des Sudzweiges eines gigantischen Pipelinesystems, das die russischen Polargebiete mit Europa verbinden soll, von Polen auf das Gebiet der Diese

 

Pipeline soll weiter bis nach Deutschland fuhren und dort an das westeuropaeische Pipelinesystem anschliessen. Die Pipeline soll ber der Versorgung Europas mit russischem Erdoel nach 2010 eine strategische Rolle spielen. Wenn diese Erdoelleitung eine Abzweigung ueber das slowakische Territorium bekaeme, wurde die Slowakei eine strategische Bedeutung fuer ganz Europa gewinnen. Das entspraeche in der Realitaet den slowakischen Vorstellungen ueber eine Bruckenfunktion zwischen Ost und West; (In: Forum, 21. 04. 1995, S. 4).

Im August 1993 versprach der russische Ministerpraesident Viktor Tschernomyrdin die Erweiterung der Gasleitung auf slowakisches Territorium. Im August 1995 liess man jedoch diese Idee als ueberfluessig fallen. Allerdings wurde diese Entscheidung nicht von russischen Politikern, sondern von Oekonomen gefaellt; (Siehe ein Interview mit dem Direktor der mit dem Projekt beauftragten Monopolfirma Gazprom, Rem Viachirev, in: Pravda, 24. 04. 1995).

 

Davon abgesehen ist es offensichtlich, dass von Russland Rohstoffe billiger zu erhalten sind als auf dem Weltmarkt. Die slowakische Unternehmen, die auch 1995/1996 ihren wirtschaftlichen Aufstieg von 1994 fortgesetzt haben, verarbeiten zum groessten Teil russische Rohstoffe. Zu diesen Unternehmen gehoeren zum Beispiel Slovnaft (Erdoel), Slowakische Gasindustrie (Slovensky plynarensky priemysel) oder VSZ Kosice (Eisenerz). Die Profite dieser Firmen liegen weit ueber dem slowakischen Standard. Die Spitzenmanager dieser Unternehmen sind in der Regel eng mit der HZDS verbunden. Ihr wirtschaftlicher Erfolg wird durch die Ostpolitik der Regierung Meciar gesichert, deren Macht sich vorwiegend auf die Unterstutzung dieser Lobbies grundet.

 

Das Slovrusgaz-Projekt wurde im Februar 1995 in Bratislava von Viktor Tschenomyrdin und den slowakischen

 

Partnern unterbreitet. Dieses Projekt soll einen wichtigen Teil des                geplanten slowakisch-russischen Handelsabkommen bilden; das Handelsabkommen soll seinerseits der Grundstein fuer eine Freihandelszone zwischen der Slowakei und Russland sein.

In den Verhandlungen der slowakischen Regierungsdelegation in Moskau Ende November 1996 wurde vereinbart, dass die Freihandelszone zwischen der Slowakei und Russischen Foederation bis Juni 1997 gebildet sein soll; (so der Slowakische Finanzminister, S. Kozlik, in: RFE, 27. 11. 1996).

 

Das Slovrusgaz-Projekt geht davon aus, dass die russische Seite fuer die Finanzmittel, die sie aus den Erdgaslieferungen an die Slowakei bekommt, slowakische Produkte kauft und nach Russland importiert.

 

In den slowakisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen stellt sich vor allem die Frage nach dem politischen Preis der engen Kontakte. In einer kritischen slowakischen Zeitschrift wurden den Bedenken ueber die Beziehungen der Slowakei zu Russland folgendermassen zum Ausdruck gebracht:

Wenn slowakische Firmen, die die Russland-Investitionen aus   eigenen Mitteln bestreiten, an einem Engagement in der russischen Rohstoffindustrie interessiert sind, ist alles in Ordnung. Das Risiko tragen dann die Firmen, ihre Aktionaere, bzw. die Banken, die ihnen mit Krediten helfen. Der durch seine Regierung vertretene Staat gefaehrdet mit solchen Aktivitaeten jedoch all seine Bewohner; (In: Domino efekt, Nr. 35, 1993).

Im Vergleich mit den anderen Visegrad-Laendern laesst sich feststellen, dass die Slowakei das einzige ostmitteleuropaeische Land ist, das „Sonderbeziehungen“ zu Russland antrebt.

 

Die sicherheitspolitische Dimension der slowakisch- russischen Beziehungen

Die strategischen Interessen Russlands in Ostmitteleuropa beruhen derzeit auf der sogenannten Kosyrew-Doktrin, die nach dem ehemaligen (bis Januar 1996) russischen Aussenminister benannt ist. Die Grundprinzipien dieser Doktrin wurden in den Jahren 1992-1993 entwickelt. Die Substanz der Kosyrew-Doktrin koennte als eine moderne Version der Monroe-Doktrin bezeichnet werden; (In: Perspectives, Nr. 4, Prag, 1994/1995, S. 45-52).

Die Doktrin richtet sich direkt an die ehemaligen Sowjetrepubliken und indirekt an die postkommunistischen Laender Ostmitteleuropas. Der Inhalt der Kosyrew-Doktrin, der fuer die Slowakei von grosser Bedeutung ist, laesst sich wie folgt zusammenfassen: Russland muss seine internationale Isolierung vermeiden. Das beste Mittel dazu ist eine Annaeherung an die westlichen Sicherheitsstrukturen parallel zu den Laendern Ostmitteleuropas. Im Prozess dieser Annaeherung darf Russland einen unabhaengigen Weg der ostmitteleuropaeischen Staaten nicht zulassen.

 

 

Gleichzeitig soll ein gesamteuropaeisches Sicherheitssystem durchgesetzt werden, dem auch die NATO untergeordnet ist. Russland muss ein integraler Bestandteil jedes Sicherheitssystem in Europa sein. Jede andere Entwicklung bedeutet eine neue Teilung Europas und schafft die Gefahr neuer Konfrontationen.

Die Kosyrew-Doktrin bedeutet in der Frage der NATO- Osterweiterung einen haerteren Kurs Russlands gegenueber Ostmitteleuropa bzw. dem Westen.

 

Die Ostmitteleuropaeischen Staaten sollen mit allen Mitteln (ausser militaerischen) von den Vorteilen einer Zusammenarbeit mit Russland ueberzeugt werden. So heisst es in Punkt 13 der

 

Doktrin: „ Bei der Sicherstellung einer neuen Qualitaet der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Ostmitteleuropa sollen die positiven in der Vergangenheit erreichten Resultate betont werden“, und weiter im selben Punkt: „Zum strategischen Ziel gehoert die Aufgabe, zu verhindern, dass die ostmitteleuropaeischen Laender zu eine Pufferzone werden, die Russland vom Westen isolieren wurde“; (Siehe: Russia’s Foreign Policy Concept, in: International Affairs, Nr. 1, 1993, S. 16).

Das militaerische Gegenstuck zur aussenpolitischen Kosyrew- Doktrin bildet die russische Militaer Doktrin. Die Militaerdoktrin wurde unter dem Namen „Grundsaetze der Militaerdoktrin der Russischen Foederation“ durch den Sicherheitsrat der Russischen Foederation und als Erlass des Praesidenten Nr. 1833 vom 02. 11. 1993 bestaetigt.

Fuer die Erhaltung des Weltfriedens ist laut dieser Doktrin die Zusammenarbeit mit folgenden Institutionen notwendig: GUS fuer das Gebiet der ehemaligen UdSSR, KSZE (OSZE) auf der regionalen Ebene und UNO im globalen Massstab. Ausserdem wird in der Militaerdoktrin die Notwendigkeit von Strukturen der kollecktiven Sicherheit betont.

Fuer die NATO-Beitrittsplaene der Slowakei sind vor allem die Passagen der Militaerdoktrin von Bedeutung, die die Erweiterung von Militaerbloecken und –allianzen auf Kosten der Sicherheit Russlands als tatsaechliche oder als potentielle Quelle militaerischer Bedrohung werten:

 

 

Das konzentrieren von Militaerformationen an den Grenzen der Russischen Foederation in einem Masse, dass das bestehende Machtgleichgewicht gestoert wird, ist einer der Faktoren, infloge derer die militaerische Gefahr in eine unmittelbare militaerische Bedrohung des Landes umschlaegt; (Jiri Sedivy, Die Sicherheitspolitik der Russischen Foederation, Prag, 1995, S. 51).

 

 

Russland hat zwar inzwischen immer wieder betont, dass es die NATO Ambitionen der ostmitteleuropaeischen Staaten „mit Verstaendnis“ beobachtet, die ablehnende Haltung der Russischen Foederation gegenueber der Eingliederung ehemaliger Ostblockstaaten in die NATO hat sich jedoch seit der Annahme der Kosyrew-Doktrin und der neuen Militaerdoktrin keineswegs geaendert. Es handelt sich unter anderen, um die vielzitierte Aeusserung von Boris Jelzin, die er im September 1993 in Warschau hinsichtlich eines polnischen NATO-Beitritts machte; (Siehe in: Pravda, 14. 11. 1993).

Aus dem beiden Grundsatzdokumenten der russischen Sicherheits- und Militaerpolitik spricht eine eindeutige Ablehnung der Integration. Fuer die ostmitteleuropaeischen Staaten, in diesem Fall also die Visegrad-Staaten einschliesslich der Slowakei, bedeutet das:

 

  1. Russland will „verhindern“ (so die Kosyrew-Doktrin), dass sich Ostmitteleuropa in den Westen integriert und es will diese Region in einer Position zwischen Ost und West

 

  1. Die Ausdehnung der sicherheitspolitischen Garantien der NATO auf die Visegrad-Staaten wird von Russland als Schritt zu seiner Isolierung und als Stoerung der zur Zeit angeblich existierenden Symmetrie zwischen Ost und West

 

 

  1. Russlands betreibt die Schaffung eines gesamteuropaeischen Sicherheitssystem unter Beteiligung der ostmitteleuropaeischen

 

  1. Unter Berufung auf angebliche Komplementaritaet der Wirtschaft Russlands und der Wirtschaft der Visegrad- Staaten sucht Russland eine Staerkung der wirtschaftlichen Bindung zu diesen
  2. Um die Integration der osteuropaeischen Laender in die NATO zu verhindern, bedient sich Russland einer immer schaerferen Rhetorik, die soger vor der Drohung mit einem neuen Kalten Krieg nicht zuruckschreckt; (George Melloan, If Russia Wanrs Another Cold War, Fine, in: The Wall Street Journal Europe, 09. 1995, S. 9).

Die vielversprechenden guten Beziehungen zwischen der Slowakei und Russland, die sich schon 1991 abzeichneten, kamen nach der Grundung der Slowakischen Republik bis 1996 bis etwa 60 slowakisch-russischen Abkommen auf Regierungsebene zum Ausdruck. Die Basis fuer diese Abkommen bildet zwei Grundsatzvertraege, die die Regierung Meciar bereits im Sommer 1993 unterzeichnete. Aus diesen Dokumenten lassen sich die strategischen Ziele der Kosyrew-Doktrin ableiten.

Das erste dieser Grundsatzabkommen ist der Vertrag ueber freundschaftliche Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen der Slowakischen Republik und der Russischen Foederation vom

  1. August 1993. Im Artikel 5 dieses Grundvertrages ist eine Klausel enthalten, die in den Abkommen Russlands mit anderen ostmitteleuropaeischen Laendern nicht zu finden ist und sehr umstritten ist:

Die Vertragsparteien bestaetigen, dass die Sicherheit in Europa unteilbar ist und dass ihre Sicherheit mit der Sicherheit aller Teilnehmerstaaten der Konferenz ueber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verbunden ist.

Sollte sich die slowakische Seite wirklich um die Vollmitgliedschaft in der NATO bemuehen, koennte dieser Vertragsartikel in der Zukunft fuer die Slowakei schwerwiegende Folgen haben. Dieser Artikel entspricht vollkommen der russischen Strategie (die in der Kosyrew-Doktrin enthalten ist),

 

die die Aufloesung der NATO und ihren Ersatz durch die OSZE anstrebte. Durch die vertragliche Verpflichtung gegenueber Russland, die die Slowakische Republik mit diesem Grundvertrag eingegangen ist, geriet die Slowakei praktisch zwischen zwei europaeische sicherheitspolitische Strategien: zum einen die Strategie des Westens gegenueber Russland, die sich auf NATO und WEU stutzt; und zum anderen die Strategie Russlands gegenueber Westeuropa.

Bei den Verhandlungen ueber den slowakisch-russischen Grundvertrag zeigte sich erneut sehr deutlich, dass die Slowakische Republik – ganz im Gegensatz zum Beispiel zur benachbarten Tschechischen Republik – eine ausgeglichene Annaeherung an ihre westlichen und oestlichen Nachbarn favorisiert.

Ein umstrittner Artikel des Grundvertrages besagte, dass keiner der beiden Vertragspartner einer dritten Partei im Falle eines militaerischen Konfliktes dadurch helfen werde, dass er die angreifenden Truppe auf sein Territorium laesst. Diese Vereinbarung haette die Neutralitaet der Slowakei in zukunftigen Konflikten zwischen der NATO und Russland bedeutet und haette eine Integration in die NATO unmoeglich gemacht. Aus diesem Grund wurde der betreffende Artikel im letzten Moment noch zuruckgenommen; die Slowakei bekraeftigte ausserdem nochmals ihre feste Absicht, sich in Europa zu integrieren.

Die Strategie Russlands geht davon aus, dass der Warschauer Pakt nicht mehr existiert und dass es deshalb auch keinen Grund mehr gibt, die NATO weiter am Leben zu halten. Die Osterweiterung der NATO wird weiterhin nahezu als Akt der offnen Aggression gegen Russland gesehen. Nach russischen Vorstellungen sollte vielmehr die OSZE zur Verhandlungsplattform ueber die neue Sicherheitsstruktur Europas werden.

In der weiteren Existenz der NATO und in der beabsichtigten NATO-Osterweiterung sieht Russland eine Bestaetigung oder

 

sogar Vertiefung der Teilung Europas. Zu diesem Punkt steht in Artikel 9 des slowakisch-russischen Grundvertrages, dass beide Vertragsparteien die Versuche einer neuen Teilung Europas verhindern wollen. Die Interpretation des Grundvertrages ist fuer Russland eindeutig. Das gilt besonders fuer den Artikel 5 des Vertrages, der die slowakischen Erklaerungen ueber den angestrebten NATO-Beitritt unglaubwurdig erscheinen laesst.

Bei seinem Besuch in Bratislava im September 1993 wies der damalige Vorsitzende des Aussenpolitischen Ausschusses des russischen Parlaments, Jewgenij Ambarzumov, bereits darauf hin, welche Verpflichtung sich fuer die Slowakei aus Artikel 5 des Grundvertrages ergibt. Als der Sprecher des slowakischen Aussenministeriums erklaerte, dass die Slowakei den NATO- Beitritt anstrebe, reagierte Ambarzumow Kuhl mit dem Verweis auf Artikel 5 des Grundvertrages und erklaerte, dass nach seiner Meinung durch diesen Artikel die Moeglichkeit angeschlossen ist, dass „die Slowakei Mitglied eines regionalen Paktes wie der NATO wird“; (Siehe: Sme, 23. 09. 1993).

Die Slowakei sollte vielmehr eine Politik betreiben, die konsequent zur Schaffung einer gesamteuropaeischen Sicherheitsstruktur beitraegt. Fuer die krisenhafte Situation in der slowakischen Politik ist bezeichnend, dass Praesident Michal Kovac, der den Grundvertrag im August 1993 gemeinsam mit Boris Jelzin in Bratislava unterzeichnet hatte, im November desselben Jahres in Bruessel das offizielle Gesuch um Aufnahme der Slowakei in die NATO einreichte. Diese scheinbare Doppelgleisigkeit des politischen Handelns in der Slowakei erklaert sich auf zweierlei Weise:

  1. Die Zuspitzung des Konfliktes zwischen dem Praesidenten und dem Ministerpraesidenten der Slowakei war im Sommer 1993 noch nicht offen zutage getreten; das geschah erst im Herbst 1993 und betraf dann zunehmend auch die aussenpolitische Orientierung des

 

  1. Bis kurz vor der Unterzeichnung durch beide Praesidenten wurde der Inhalt des Vertrages dem Parlament nicht in vollem Umfang Als Begruendung dafuer gab man an, dass der vollstaendige Text noch nicht fertig sei. Somit konnte sich keine parlamentarische Diskussion zu diesem Thema zu entwickeln. Man duskutierte nur ueber die bekannten Teile des Textes.

 

Die unklare Formulierung von der „Unteilbarkeit“ der europaeischen Sicherheit (Artikel 5) ist der Aufmerksamkeit der politischen Opposition entgangen, was offensichtlich auf deren Unerfahrenheit zuruckzufuhren ist. Als ein Jahr spaeter um die Ratifizierung des Vertrages ging, befand sich das slowakische Parlament wieder in einer Ausnahmesituation: vorzeitige Parlamentswahlen standen bevor, und das Parlament war voellig auf die Innenpolitik konzentriert. So wurde der Vertrag im August 1994 ohne Aenderung ratifiziert.

Mit Hilfe des slowakisch-russischen Grundvertrages war es der russischen Diplomatie gelungen, zumindest einem postkommunistischen Land Ostmitteleuropas ihre aussen- und sicherheitspolitische Vorstellung nahezubringen. Die einzige sicherheitspolitische Organisation, die den russischen Interessen in Europa entspricht, ist die OSZE. In dieser Konzeption ist die Osterweiterung der NATO nicht vorgesehen. Die staerkung der OSZE wird als Alternative zur Erweiterung propagiert.

In der zweiten Jahreshaelfte 1993 akzeptierte die Slowakei die russische Sicht der neuen Sicherheitsstruktur in Europa. Seitdem entwickelte sich die slowakische Aussenpolitik auf einer unklaren, zweideutigen Ebene; das entgeht auch auslaendischen politischen Beobachtern und Politikern nicht. Diese Zweideutigkeit bezieht sich auch auf die gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der EU. Der ehemalige oesterreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky aeusserte sich dazu in einem Gespraech mit Meciar 1995 folgendermassen: „Wir stehen bei

 

Ihnen in der Slowakei zwei Antlitze. Eines stellt sich freundlich zur EU, das andere sieht anders aus“; (Peter Zajac, Zwei Antlitze der Slowakei, in: Domino efekt, Nr. 24, 1996).

Die unklare Position der slowakischen Aussenpolitik kommt in widerspruechlichen Aussagen von Vertretern der Aussenpolitik zum Ausdruck, je nachdem ob sie mit westlichen oder russischen Partnern sprechen. Ein Beispiel dafuer stellen die Aeusserungen des slowakischen Ministerpraesidenten Meciar zum Abschluss der Verhandlungen in Moskau Ende Oktober 1995 dar: „Die NATO-Erweiterung ist im Regierungsprogramm enthalten und die Regierung aendert ihr Programm vorlaeufig(!) nicht“. Zugleich aeusserte Meciar jedoch seine Vorstellung von einem

„kontinentalen“ sicherheitspolitischen System, das auch Russland einbezieht:

Einer der moeglichen Wege ist es, dass die NATO sich in eine gesamteuropaeische Organisation transformiert, in der sowohl Laender mit voller Mitgliedschaft, als auch Laender, die einfach kooperieren, eine Vertretung finden werden; (Ivan Drabek, Waehrend der Verhandlungen von V. Meciar in Russland wurden sechs Abkommen unterzeichnet, in: Pravda, 02. 11. 1995).

Diese Zuge der slowakischen Aussen- und Sicherheitspolitik stehen klar im Widerspruch zu den erklaerten NATO- Beitrittsabsichten. Sie stehen auch im Widerspruch zum in der letzten Zeit wichtigsten offiziellen NATO-Dokument ueber die Erweiterung. In diesem Dokument wird a) der OSZE keine Alternative Sicherheitsfunktion zugestanden und werden b) den Beitrittskandidaten die wollen Sicherheitsgarantien nach Artikel

5 der Washingtoner Deklaration zugesagt; (Siehe: Study on NATO Enlargement, NATO HQ, September 1995).

Das zweite slowakisch-russische Grundsatzabkommen, das zur gleichen Zeit wie der Grunvertrag in Bratislava unterzeichnet wurde, ist der Vertrag ueber militaerische Zusammenarbeit. Dieser Vertrag ist aus sicherherheitspolitischer Sicht weitaus

 

wichtiger als der Grundvertrag, da es sich hier direkt um die militaerisch-politische Zusammenarbeit handelt. Die militaerische Zusammenarbeit stellt ein Bindeglied zwischen der wirtschaftlichen und der politischen Zusammenarbeit zwischen de Slowakei und Russland dar.

Der Vertrag ueber militaerische Zusammenarbeit wurde am selben Tag wie der Grundvertrag unterzeichnet (von den Verteidigungsministern Pawel Gratschow und Imrich Andrejcak). Der Vertrag knupfte unmittelbar an Artikel 5 des Grundvertrages an. Der Vertrag ueber militaerische Zusammenarbeit hatte geheimen Charakter. Der vollstaendige Wortlaut des Vertrages wurde den Medien und der Oeffentlichkeit nicht mitgeteilt. Der Pressesprecher des slowakischen Verteidigungsministeriums nannte den Vertrag jedoch vorteilhaft fuer die Slowakei und gab in einem Presseinterview (Siehe: Sme, 31. 08. 1993) folgende Informationen darueber:

  1. Die slowakische Lufwaffe erhaelt die Moeglichkeit, im Luftraum Russlands Ubungen zu absolvieren, und die Flugzeuge der slowakischen Armee erhalten die Erlaubnis, auf russischen Militaerflughaefen zu landen (die Erlaubnis gilt umgekehrt auch fuer die russische Luftwaffe).

 

  1. Die Moeglichkeit, russisches Territorium zu benutzen, gilt auch fuer Ubungen mit Boden-Boden-Raketen der slowakischen Armee, – die slowakische Armee hat wegen territorialer Beschraenkungen keine Ubungsmoeglichkeiten im eigenen Land (auch hier gilt der Grundsatz der Gegenseitigkeit, d. h. die russische Armee darf theoretisch ubungen mit Boden-Boden-Raketen auf slowakischen Territorium durchfuhren).

 

 

  1. Die Ruckzahlung der russischen Schulden (die Russland von der UdSSR uebernommen hat) an die Slowakei soll durch Lieferungen von Jagdflugzeugen (MiG-29) und

 

Ersatzteilen fuer die slowakische Militaertechnik (die aus sowjetischen bzw. russischen Waffentypen) erfolgen.

Diesem militaerischen Grundvertrag folgten weitere Teilvertraege zwischen den Verteidigungsministerien der Slowakei und Russlands, wie zum Beispiel das Abkommen ueber die Zusammenarbeit des slowakischen und den russischen Verteidigungsministeriums von 1994; die Beschlusse ueber gemeinsame Verhandlungen auf dem Gebiet der Rustung und weitere Zasammenarbeit von 1995 sowie ein weiteres Abkommen ueber die Senkung russischer Schulden durch Lieferungen eines

„speziellen Materials“; (Siehe: Die Armee der Slowakischen Republik, Bratislava, 1995, S. 42-50).

In den ersten beiden Dokumenten ist die Verpflichtung zum Informationsaustausch ueber Modernisierungstrends in der Ruestungsindustrie enthalten; (Siehe: Pravda, 17. 03.1995).

Die drei Abkommen zusammen bedeuten eine Staerkung der militaerisch-industriellen Zusammenarbeit zwischen der Slowakei und Russland. Nach dem Zusammenbruch der slowakischen (bzw. tschechoslowakischen) Rustungsindustrie hatte die Slowakei Kontakt zu russischen Militaerkreisen nicht ganz verloren. Nach der Trennung der Foederation setzen die slowakischen Wirtschaftsexperten und Regierungsbeamten weiterhin auf die Rustungsindustrie.

Nach 1993 legten alle Regierungen in der Slowakei einen Schwerpunkt auf die Rustungsindustrie. Bereits eine Woche nach Erlangung der Unabhaengigkeit kundigte Ministerpraesident Meciar an, dass die bisherige restriktive Rustungsexportpolitik umgekehrt werden soll. In einer Erklaerung von 1994 sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Sobol:

Wir wollen zwar nicht als die Waffenlieferanten Europas bekannt werden, wir wollen jedoch fuer unsere Burger Arbeitsplaetze schaffen. Was sich hier abspielt, ist ein strategischer Kampf um Rustungsmaerkte. Jede Taktik,

 

jedes Mittel ist ein faires Spiel. Wir wollen nur das machen, was der Rest der Welt macht; (Siehe das Interview der stellvertretenden Verteidigungsministers fuer Reuter, Bratislava, 24. 11. 1994).

 

Russland spielte von Anfang an eine wichtige Rolle bei der Neubelebung der slowakischen Rustungsindustrie. Anlaesslich der Unterzeichnung des slowakisch-russischen Grundvertrages druckte der Boris jelzin sehr offen aus:

 

Die Slowakische Republik wird kaum imstande sein, die mit der Produktion von Militaertechnik verbundenen Probleme selbstaendig zu loesen. Und Russland kann helfen; (Siehe: Narodna obroda, 27. 08. 1992, S. 2).

 

Bei einer Serie von Verhandlungen zwischen dem russischen Ministerpraesidenten Tschernomyrdin und dem slowakischen Ministerpraesidenten Meciar im Februar und Maerz 1995 in Bratislava wurden insgesamt 12 Abkommen im Sicherheitsbereich abgeschlossen; mindestens funf dieser Abkommen haben direkt mit Sicherheit zu tun; (In: Slovenska republika, 15. 02. 1995).

 

Die aussenpolitische Bedeutung dieser bilateralen Massnahmen liegt vor allem in der langfristigen Bindung eines strategisch wichtigen Zweiges der slowakischen Wirtschaft an die russische Wirtschaft. Durch die Orientierung der slowakischen Rustungsindustrie auf Russland sind Probleme bei der Einhaltung der internationalen Regeln des weltweiten Waffenhandels vorprogrammiert. Durch die neue Einstellung der Slowakei zur Rustungsindustrie und die Moeglichkeiten der militaerischen Zusammenarbeit zwischen der Slowakei und Russland (die sich aus dem Vertrag ueber militaerische Zusammenarbeit ergeben) kam es zu einer Initiative fuer Waffenexporte.

 

 

Seit 1993 kam es immer wieder zu Skandalen wegen illegalen Schmuggels slowakischer Waffen, wobei zum Teil sogar hohe Offiziere des Generalstabs direkt verwickelt waren. 1995 war das Aussenministerium gezwungen, oeffentlich zu Vorwurfen des illegalen Waffenhandels mit slowakischen Waffen Stellung zu nehmen. Dabei wurde erklaerkt: „Die Ausfuhr von Waffen in Gebiete politischer Gewalt ist verboten; (Siehe: Sme, 10. 02. 1995).

Es kam jedoch auch weiterhin zu Skandalen mit illegalen Waffenhandel. Diese Entwicklung wird sich sehr wahrscheinlich auf die Integrationsaussichten der Slowakei in der NATO auswirken, denn:

  • Skandale mit Waffenhandel kommen zwar auch in anderen Laender vor, aber die Slowakei gehoert zu den problematischen Kandidaten fuer einen NATO-Beitritt, weshalb die slowakischen Waffengeschaefte aufmerksamer verfolgt werden als die anderer Laender;

 

  • Die staatliche Kontrolle des Waffenexports muss strenger sein, wenn das Land ein vertrauenswurdiger Kandidat fuer die NATO- und WEU-Mitgliedschaft sein will;

 

 

  • Durch die feste Bindung der slowakischen Rustungsindustrie an die russische ist die Slowakei der Kritik ihrer Nachbarstaaten ausgesetzt; (die Slowakei im Gegensatz zu Russland geographisch in der Mitte Europas).

In den letzten Jahren war die Sicherheitslage der Slowakei durch die nach dem Ende des Kalten Krieges entstandenen allgemeinen Unsicherheiten und Risiken gepraegt. Ostmitteleuropa ist einem grossen Druck ausgesetzt, der mit dem Gefuhl der Bedrohung aufgrund der unberechenbaren Entwicklung in Russland und der GUS-Region zusammenhaengt. Durch das Zusammenspiel wirtschaftlicher, politischer, sozialer und enthnischer

 

Konfliktquellen ist die Wahrscheinlichkeit der direkten Bedrohung in allen postkommunistischen Laendern gestiegen.

Die Slowakei befindet sich an der Grenze zu einem von vielen Risiken unterschiedlicher Dimensionen und Grade gepraegten Teil Europas. Die anderen Visegrad-Laender (Polen, Ungarn, Tschechien) versuchen, die aus diesem Teil Europas kommenden Risiken durch eine strikte Ausrichtung ihrer sicherheitspolitischen Initiativen auf Westeuropa auszuschalten. Die Slowakei hat degegen – erst 1993 und dann wieder 1995 – einen anderen Weg gewaehlt.

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