imm008_10-4Eine neue Studie zeigt, dass Afrikaner in Deutschland bereits gut in die Gesellschaft integriert sind, aber noch mehr Unterstützung benötigenwohingegen Türken sich nur sehr schlecht an die deutsche Kultur anpassen.

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Ein Drittel der in Deutschland geborenen Kinder kommen aus Familien mit Migrationshintergrund, aber das Problem der fehlenden Integration ist, so besagt die Studie,  in der Geschichte und der Regierungspolitik für Migrationsprozesse der 1950er Jahre zu suchen. Diese Studie gibt einen erstaunlichen Einblick in den Verlauf der Integration von Migranten in Deutschland und zeigt auf, dass ein beunruhigend hoher Prozentsatz von ihnen in einer Parallelgesellschaft lebt, ohne Aussicht auf Bildung und berufliches Fortkommen. Die Studie wurde am Montag vom Berlin- Institut für Bevölkerung und Entwicklung vorgstellt und basiert auf einer jährlichen Bevölkerungsstatistik. Diese ergab, dass insbesondere Türken, die zweitgrösste Migrationsgruppe nach den ethnisch Deutschen aus Osteuropa und der früheren Sowjetunion, sich nur sehr schlecht in die Gesellschaft integrieren, obwohl sie schon seit vielen Jahrzehnten in diesem Land leben.

Dies bedeutet, das Ausländer in Deutschland auch noch nach 50 Jahren und in manchen Fällen sogar noch nach drei Generationen, Fremde bleiben. Auch der deutsche Pass kann Integrationsprobleme nicht überbrücken. Dieser Verlauf stellt Deutschland vor eine Herausforderung. Das Land ist auf Migranten angewiesen, da die Deutschen nicht genügend Kinder bekommen.

Das führt dazu, dass die Bevölkerungszahl sinkt, das Durchschnittsalter steigt und die Produktivität gefährdet ist. Aber wenn Migranten, die in der Regel mehr Kinder haben, keinen Zugang zur besseren Bildung und Arbeitsplätzen haben, werden sie dem Staat letzendlich mehr kosten als sie ihn unterstützen. Eine unabhängige Studie der Bertelsmann Stiftung schätzt, das eine unzureichende Integration den Staat bis zu €16 Milliarden ($20 Milliarden) jährlich kostet.

Jüngste Erkenntnisse über Migrationstendenzen
Die Studie des Berlin Instituts basiert auf einem jährlichen, offiziellen Mikrozensus, bei dem ein Prozent der Bevölkerung – 800.000 deutsche Bürger- über ihre Wohnverhältnisse, Beruf, Bildung, Einkommen und Nationalität Auskunft gaben.

Seit 2005 geben die Befragten auch an, aus welchen Ländern ihre Eltern stammen. So konnte zum ersten Mal eine Tendenz ausgemacht werden, welche Menschen mit Migrationshintergrund eine deutsche Staatsbürgerschaft erhielten. Auch ist nun ein Vergleich zwischen den Migrantengruppen aus der Türkei, Italien, Afrika und ethnisch deutschen Migranten aus Osteuropa möglich. Die Forscher des Berlin Instituts enwickelten einen “Index zur Messung von Immigration”, der zeigt, wie stark oder schwach die Migrationsgruppen bereits mit der deutsche Gesellschaft  verwachsen sind. In diesen Index fließen verschiedenen Kriterien ein, wie Bildung, Erwerbsleben und der Grad der Annäherung der Lebensbedingungen der Immigranten an die Einheimischen durch beispielsweise Heirat.

Die Studie untersuchte auch, ob sich Kinder von Migranten anders als ihre Eltern verhalten. Zum ersten Mal gibt es Zahlen darüber, ob eine Integration statt gefunden hat. Von allen Immigrantengruppen in Deutschland haben sich die Südeuropäer aus Spanien, Portugal, Italien und Griechenland, die in einer ersten Immigrationswelle als Gastarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland kamen, am besten integriert.  Auch die sogenannten „Aussiedler”, ethnisch Deutsche aus Osteuropa und der früheren Sowjetunion, die in den 1990er Jahren nach Deutschland kamen und die größte Einzelgruppe unter den Migranten darstellen, sind gut in die Gesellschaft eingegliedert. Ihre Söhne und Töchter nutzen das Bildungssystem und haben im Vergleich einen höheren Bildungsgrad als die deutsche Bevölkerung.

Türken unzureichend integriert
Fast 3 Millionen türkische Migranten leben in Deutschland und machen die zweitgrößte Migrantengruppe aus, aber sie sind nur sehr schlecht integriert. Die Kluft zwischen der deutschen Bevölkerung und türkischen Migranten ist groß und auf der Integrationsliste des Berlin Instituts belegen sie den letzten Platz. Sie haben einen schlechten Bildungsstand, werden schlechter bezahlt und weisen eine höhere Arbeitslosenrate auf.

Mit Namen wie Ümit statt Hans oder Gülcan statt Grete wird es schwer die Karriereleiter zu erklimmen. 30 Prozent der türkischen Migranten haben keinen Schulabschluss und nur 14 Prozent machen das Abitur. Nur halb so viele als bei der deutschen Bevölkerung.

Warum bleiben Ausländer Fremde und warum haben es Türken (auch die, die in Deutschland geboren worden) so schwer sich zu integrieren? Viele Türken, die vor einigen Jahrzehnten als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, wollten niemals ein Teil der deutschen Gesellschaft werden, sondern nur Geld verdienen und dann wieder zurück in ihr Land. Dies war nicht geschehen aber die Türken veränderten nicht ihr Verhalten. Sie gruppierten sich in Ghettos und bauten keinerlei Kontakt zu Deutschen auf. Dies machte es ihren Kindern sehr schwer, in der deutschen Gesellschaft einen Platz zu finden.

Eine weitere Umfrage ergab, das zwei Drittel der Kinder mit Migrationshintergrund auch nach Beendigung des vierten Schuljahres nicht richtig lesen können. Die Situation spitzt sich insbesondere in Großstädten wie Berlin, Hamburg und Bremen zu. Was haben die deutschen Behörden falsch gemacht, bei der Integration von Türken? “Wir haben sie als Gastarbeiter eingeladen und dachten sie würden bald das Land wieder verlassen,” sagt Reiner Klingholz, Leiter des Berlin Instituts. Aber Bildung ist die Basis und die Sprache ist der Schlüssel dazu, meint er. “Zu lange haben wir akzeptiert, dass 80 Prozent der Kinder in den Grundschulklassen nicht deutsch sprechen können,” so Klingholz.

Jüngste internationale Umfragen ergaben, das Kinder aus bildungsarmen Familien mit mangelhaften Sprachkenntnisse nur schlechte Chancen im deutschen Schulsystem haben. “Vor 30, 40 Jahren hat man den Türken zu wenig Bildung angeboten, sagt Yasemin Karakasoglu, Forscherin für Migrationsverläufe an der Bremen Universität. Aber seit 2000 unternimmt die Regierung  etwas dagegen. So wurde das Migrationsgesetz verändert und es gibt regelmässige Treffen mit Migrantengruppen.

Veränderungen gibt es auch ausserhalb der Europäischen Union- die doppelte Staatsbürgerschaft. Während EU- Bürger und Schweizer kein Problem haben, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu erhalten, ist es für Kinder von Migrante aus nicht EU-Länder nicht so einfach. Sie müssen sich im Alter zwischen 18 und 23 Jahren für eine Nationalität entscheiden.

Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagt, dass türkischen Migranten die Möglichkeit bekommen sollten, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu beantragen. “Wenn Türken bereits in der zweiten Generation hier sind, sollten sie ein Recht auf eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Das würde ihnen die Integration erheblich erleichtern,” sagt Kolat. “So wären sie nicht gezwungen, sich gegen Deutschland zu entscheiden.”

Integration ist keine monokulturelle sondern eine multikulturelle Angelegenheit und somit nicht nur rein türkisches Problem, sagt Chris Ezeh, Verleger des EAC Magazins und Grunder des EuroAfricaCentral Network Europe. “Wir tun so, als wären die Türken die einzigen, die Integrationsproblem hätten. Alle Ausländer, die willens sind, sich zu integrieren und das Gesetz und die demokratischen Regeln der westlichen Gesellschaft annehmen, sollten ein Recht auf eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Es ist wichtig, den Integrationsprozess voranzutreiben um Unmut zu verhindern, der in Extremismus umschlagen kann.” Die Situation, in der EU- Bürger grünes Licht bekommen, aber Nicht- EU Bürger sich für eine Nationalität entscheiden müssen, ist nicht nur sehr diskriminierend sondern auch Verbitterung erregend, unfair und unzumutbar in eine moderne Deutschland” folgert Chris Ezeh.

Innenminister Wolfgang Schäuble antwortet: “Integration verlangt von den Menschen, eine Entscheidung zu treffen. Sie müssen sich schon selbst integrieren wollen. ” Ausländer, die in Deutschland geboren wurden, können die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, wenn sie wollen, sagt Schäuble. Aber viele Faktoren beeinflussen diesen Wunsch.

Ausländerfeindlichkeit zum Beispiel. Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach ergab, dass 50 Prozent der Deutschen der Meinung sind, dass es zu viele Ausländer im Land sind. Auf der anderen Seite kann man sich auch fragen, in wie weit die Meinung von dem Verhalten der Türken beeinflusst wurde, die in Deutschlands Großstädten eine Subgesellschaft bilden.

Reiner Klingholz gab an, dass Migranten und ihre Kinder sich mehr anstrengen sollten, um die deutsche Sprache zu erlernen und eine Bildung zu bekommen. Auch sollten sie die deutschen Normen und Kultur akzeptieren. “Wir können nicht länger erlauben, dass jemand aus religiösen Gründen nicht am Sportunterricht teilnimmt” sagte er. Eine Studie, durchgeführt vom Essener Zentrum für Türkeistudien fand 2006 heraus, dass 83 Prozent der Muslime aus der Türkei sich als religös oder sehr religiös beschreiben. “Religiösität hat zugenommen,” schrieben die Autoren der Studie.

Ist der muslimische Glaube ein Hindernis für die Integration? Welchen Einfluss hat er auf die Integration? Ist der Islam, der Glaube der meisten in Deutschland lebenden Türken der Grund, warum Migranten keinen Zugang zur deutschen Gesellschaft finden?  Die Autorin Serap Cileli, selbst Opfer der Zwangsehe, sagte: “Der Glaube spielt eine große Rolle in der fehlgeschlagenden Integration der Türken.” Seit mehr als 10 Jahren unterstützt sie Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. “Jeden Tag sehe ich das Leid muslimischer Mädchen und Frauen, die in einer konservativen muslimischen Welt leben und keine Chance haben, am deutschen Geselschaftsleben teilzunehmen,” meinte sie.

Eine Studie des deutsche Familienministeriums aus 2004 verdeutlicht, das eine unverhältnismässige hohe Zahl an türkischen Frauen in Deutschland von häuslicher Gewalt betroffen sind. Zwangsehen sind noch ein weiterer Faktor. Ein viertel der türkischen Frauen gab an, dass sie ihren Ehemann das erste Mal bei ihrer Hochzeit sahen und 9 Prozent wurden zur Ehe gezwungen.

Kritiker des Islams sehen die Religion als das Hauptproblem, da patriarchischen Strukturen hochgehalten werden und es dem Mann erlauben, aus dem Koran das Recht zu erlesen, seine Frau zu dominieren. Die Frauen wiederum glauben, sie müssten dieses Leid ertragen. Bassam Tibi, Mitbegründer der arabischen Organisation für Menschenrechte sagte, es sei für muslimische Migranten unmöglich sich unter diesen Umständen wirklich zu integrieren. “Keine Demokratie erlaubt die Erniedrigung der Frauen,” fügte er hinzu.

Aber Ursula Günther, Lektorin für Religion an der Universität Hamburg warnte vor Klichees. “Eine große Mehrheit der Deutsche ist dem falschen Glauben verfallen, alle Türken seien orthodoxe Muslime,“ sagte sie. Viele religiöse Türken haben mit dem fundamentalistischen Imam nichts zu tun. In Warheit ist die türkische Gemeinschaft in Deutschland sehr vielschichtig. Einige verlangen, dass ihre Frauen Kopftücher tragen, andere nicht. Einige würden eine Ehe mit einem Deutschen nicht akzeptieren, andere haben kein Problem mit einer bi- kulturellen Partnerschaft.

Reiner Klingholz meinte, es sei unmöglich den Einfluss des Islams auf die Integration zu messen, aber er würde nicht glauben, dass dies ein dauerhaftes Problem darstellen würde. “Vor 50 Jahren konnte sich keiner in Deutschland vorstellen, das Katholiken eines Tages Protestanten heiraten würden. Heute ist das gar kein Thema mehr,” gab er an.

Langsam, verändern sich die Dinge. Die Zahl türkischer Mädchen am Gymnasium steigt und ist bald genauso hoch wie die der türkischer Jungs. Der Bildungsstandard der zweiten Generation türkischer Migranten ist gestiegen im Vergleich zur ersten Generation. Und immer häufiger sehen sie Deutschland als ihr Heimatland. “Noch in den 1990er Jahren wollten zwei Drittel der Türken irgendwann zurück kehren,” sagte Migrantenforscherin Yasemin Karakasoglu von der Bremen Universität. “Aber das hat sich geändert. Immer mehr Türken wollen für immer hier bleiben.”

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